Als Marion Huber vor neun Jahren auf den Winklhof einheiratete, meinte sie: „So ein großer Hof! Wo sind denn da die Tiere?“ Lediglich ein paar Katzen schlichen damals umher. Also brachte die gelernte Friseuse erst einmal ein Pferd mit, dann noch eine Katze, einen Hund und Hühner … Doch dabei blieb es nicht. Denn mitten in Niederbayern ziehen heute Herden von Alpakas und Lamas die Blicke auf sich …
Die ersten drei Alpakas, die im Stall einzogen, waren nur ein Hobby für Marcus (41) und Marion (38). Doch dann kauften sie eine kleine Herde, erbrachten schließlich den Sachkundenachweise für die Haltung, fingen an zu züchten und boten irgendwann auch Wanderungen an. Die Lamas kamen während eines Südtirol-Urlaubs hinzu. Damals verliebte sich Marcus in ein Lama, kaufte es und nannte es „Ludwig“. Und Ludwig trottet immer noch, gebürstet und gehalftert, als eines von 22 Wander-Tieren mit Marcus, Marion und ihren Gästen durch die Apfel- und Aronia-Plantagen.
„Es ist ein Ausgleich für uns selbst“
Dass hier auf dem Bauernhof, der seit 1991 biologisch wirtschaftet und seit sechs Jahren zum Biokreis gehört, Erlebnisse garantiert sind, sieht man nicht nur an den exotischen bio-zertifizierten Tieren, sondern direkt am Eingang auf einem Lageplan. Dort sind die Ställe der Hengste und Stuten eingezeichnet, der Kinderspielplatz mit den Meerschweinchen und Wachteln, das Hofcafé, der Laden und der 24 Stunden geöffnete Verkaufsautomat. Die Qualifizierung zum Erlebnisbauern und zur Erlebnisbäuerin haben Marcus und Marion beide absolviert. Jeden Samstag und Sonntag und in den Ferien auch zwei Mal unter der Woche rücken die Eltern von drei kleinen Kindern mit 22 Tieren aus, um gemeinsam mit den Besucher*innen die Umgebung zu erkunden. „Es ist ein Ausgleich für uns selbst“, sagt Marcus Huber, „wir treffen immer wieder neue Leute und lachen gemeinsam viel über die Tiere.“ So profitiert das Ehepaar nicht nur wirtschaftlich vom Erlebnisbauernhof.
Etwa zehn Prozent des Gesamteinkommens stammt aus den Wanderungen, weitere zehn Prozent werden mit Führungen erzielt. Die Führungen gibt es schon seit 2002. Marcus und seine Eltern ließen die anreisenden Gruppen hinter die Kulissen des Obstbaus und in die Verarbeitung von Äpfeln schauen. Auch das Bayerische Fernsehen hat schon bei „Unser Land“, „Querbeet“ und „Unter unserem Himmel“ über den Betrieb berichtet.
4.000 Apfelbäume stehen auf der welligen Landschaft hinter dem Hof, 2005 fingen die Hubers zusätzlich mit der Pflanzung von Aronia-Sträuchern an. Inzwischen haben sie gemeinsam 50.000 Sträucher gepflanzt. Aus der Ernte werden Essige, Trockenfrüchte, Tees, Säfte, Wein, Secco, Fruchtpulver und anderes hergestellt. 40 bis 50 Busse pro Jahr bringen zu normalen Zeiten die Gäste auf den Winklhof. Sie besichtigen den Betrieb, verkosten die Produkte, kaufen im Hofladen ein und lassen sich den hausgemachten Kuchen im Café schmecken.
… und noch mehr Erlebnisse
Zusätzlich verbringen die Hubers 150 Tage im Jahr auf Messen und Märkten. Hier machen sie sich bekannt, präsentieren ihre Produkte und wecken Interesse für ihren Betrieb. Denn die Vermarktung erfolgt fast ausschließlich direkt ab Hof oder online. Die Erlebnisse, die der Winklhof bietet, helfen dabei – und deswegen lassen sich die Hubers auch immer wieder etwas Neues einfallen. Seit drei Jahren können Alpaka- und Lama-Fans Patenschaften für die Tiere erwerben. Wer Pate ist, erhält eine Urkunde, ein Foto, darf eine Wanderung machen und zusätzlich einmal pro Jahr an einem „Paten-Treffen“ teilnehmen, an dem bei Kaffee und Kuchen über die Tiere informiert wird. Doch seit Kurzem gibt es nicht nur Tier-Patenschaften, sondern auch „Liegestuhl-Patenschaften“. Ein „Liegestuhl-Pate“ darf sich jederzeit mit seinem Stuhl auf die Weide zu den Tieren gesellen und diese beobachten, entspannen und abschalten. „Unsere Tiere strahlen eine besondere Ruhe aus, die sich auf den Menschen überträgt“, weiß Marion Huber.
Die Ruhe auf dem Hof möchten so manche Besucher*innen nicht nur tagsüber, sondern auch in der Nacht genießen. Die Hubers sind Gastgeber für „Landvergnügen“ und Hinterland Camp, das heißt, sie bieten ihren Hof als Stellplatz für Wohnwagen an. Ein neuer Plan: Marcus möchte auf Anhängern zwei Schäferwagen bauen, einfache Holzhäuser ohne Luxus mit je zwei Betten, einer Sitzgelegenheit und einer kleinen Terrasse. Die will er an Ruhe suchende Touristen vermieten. „Wir werden immer wieder nach solchen Erlebnissen gefragt. Auch die Wanderungen haben wir auf Nachfrage angefangen“, erklärt Marcus Huber. „Die Städter suchen nach der Natur. Besonders jetzt haben sie gesehen, wie es ist, drinnen zu sein. Sie wollen raus. Dahin geht der Trend.“
Corona hat den Blickwinkel verändert
Durch die Corona-Maßnahmen sind den Hubers etwa 40 Prozent ihres Einkommens weggebrochen. Das alljährliche Hoffest, das 2018 und 2019 jeweils 4000 Leute besucht haben, fiel weg. Das erst im Juli 2020 eröffnete Café ist leer. Die Tiere gehen nicht mehr spazieren. Doch Marcus und Marion haben auch ihren Blickwinkel verändert. „Wir sehen, wie ruhig es sein kann und wie viel Aufwand für Märkte und Messen nötig ist. Daher haben wir uns diesbezüglich auch sortiert und werden so manchen Markt nicht mehr machen“, sind sie sich einig. Erlebnisse aber seien das, was bleiben und ausgebaut werden soll. Marion lacht: „Wir haben Weihnachten so viele Gutscheine ausgestellt, dass jetzt gleich mal so einige Wanderungen anstehen.“
Die Produkte des Winklhofs werden auch an Direktvermarkter-Kolleg*innen und Wiederverkäufer*innen verkauft. Außerdem bieten die Hubers jetzt Lohn-Gefriertrocknung von Früchten an. Die Dienstleistung kann ab einer Menge von 50 Kilogramm in Anspruch genommen werden.