In den Herrmannsdorfer Landwerkstätten werden Lebensmittel vom Acker bis zum Teller produziert – Schlachtung inklusive. Sophie Schweisfurth, Geschäftsführerin des Biokreis-Betriebs, beschäftigt sich mit den Bedingungen für eine möglichst tiergerechte Schlachtung.
Frau Schweisfurth, haben Sie schon mal ein Tier getötet?
(überlegt) Fische beim Angeln. Ein Schwein noch nicht.
Ist es etwas anderes, eine Mücke zu erschlagen als ein Schwein abzustechen?
Natürlich – aber rein emotional gesehen, aus dem Bauch heraus. Ich denke, dass die Größe des Tieres hier tatsächlich eine Relevanz hat. Ein Rind hat einfach eine andere Präsenz als ein Huhn und ist als Lebewesen greifbarer.
Dürfen wir Tiere töten?
Ich denke in landwirtschaftlichen Kreisläufen, und die Nutztierhaltung gehört hier dazu. Die Nutzung von Grasflächen durch das Rind und nachhaltiger Ackerbau ergeben in der Symbiose ein gutes Gesamtsystem. Auf einem Hang im Allgäu kann eben kein Gemüsebau stattfinden.
Für die Produktion von Schweinefleisch gibt es zugegebenermaßen keine gute Begründung.
Der Mensch ist ein Omnivor, Fleischgenuss ist Teil unserer Kultur. Klar ist aber auch, dass sich Essgewohnheiten ändern können – etwa zugunsten des Vegetarismus oder Veganismus.
Ich halte beide für spannende Bewegungen und eine konsequente Ernährungsweise für wichtig.
Ich selbst konsumiere sehr wenig Fleisch, aber wenn, dann nur das beste.
"Der Mensch ist ein Omnivor, Fleischgenuss ist Teil unserer Kultur. Klar ist aber auch, dass sich Essgewohnheiten ändern können."
Kann Schlachtung tiergerecht sein?
Wenn man ehrlich ist, kann sie das nicht, denn es wird ein Leben beendet. Nutztiere werden zu dem Zweck gehalten, sie selbst oder ihre Nebenprodukte wie die Milch zu verwerten.
Mein Großvater hat immer gesagt: Ein Metzger, der ein Tier nicht respektiert, ist kein guter Metzger. Es sind eher die weichen Komponenten, die die feinen Unterschiede bei der Schlachtung ausmachen. Wir in den Herrmannsdorfer Landwerkstätten sind privilegiert, diese umsetzen zu können. Dabei geht es zum Beispiel darum, ruhig mit den Tieren umzugehen.
In Schlachthöfen, in denen jede Sekunde zählt, ist das schwer.
Wie läuft die Schlachtung in Ihrem Haus ab?
Die Tiere kommen schon am Abend vor der Schlachtung bei uns an und verbringen eine Nacht in unseren Ställen, um sich von der Aufregung des Transports zu erholen. Sie sind in ihrer gewohnten Gruppe, können sich hier beruhigen und Adrenalin abbauen.
Am nächsten Tag trennt ein ihnen unbekannter Mann ein Tier nach dem anderen von der Gruppe. Der Metzger nutzt den natürlichen Instinkt der Tiere. Schweine sind neugierig und laufen in einen Raum hinein, wenn die Tür aufgeht.
Dann schnüffeln sie, drehen sich um, weil sie merken, dass die anderen nicht mitkommen und werden in diesem Moment betäubt und gestochen. Die anderen Tiere sind zwar da, merken das aber nicht. Das ist natürlich nur unsere Interpretation, aber sie bleiben ruhig und schnüffeln sogar am Blut. Dann wird dem Schwein Zeit gegeben zu gehen.
Das klingt etwas religiös, aber einer unserer Metzger formuliert es so, wenn er das Schwein ausbluten lässt, anstatt es gleich weiter zu ziehen zur nächsten Station.
Nach dem Ausbluten wird es entborstet. Das ist für mich der Moment, an dem das Leben zum Lebensmittel wird.
Nun verlieren die Tiere ihre individuelle Farbe, und ein Schwein gleicht dem anderen.
Wenn man Richtlinien für die Bio-Schlachtung einführen würde, welche Regelungen müssten sie beinhalten?
Respekt vor dem Tier kann man leider nicht messen und in Gesetze schreiben. Wichtig wäre aber auch, Lärm auszuschalten, die räumlichen Voraussetzungen und die Betäubung zu optimieren. Wenn schon der Metzger nervös ist, weil die Gegebenheiten nicht gut passen, ist das keine gute Bedingung für eine stressfreie Schlachtung.
Meiner Meinung nach ist es wichtig, eine positive Atmosphäre für Mensch und Tier zu schaffen. Unser Schlachthaus strahlt in Gelb und ist mit Kunst versehen. Pro Woche werden 50 Schweine, 13 Rinder, zehn Kälber und 25 Lämmer geschlachtet.
An einem Tag kommt immer nur eine einzige Gattung dran. Die Tierart ist unter sich.
Kein Schwein muss ein Lamm hören, wenn es noch nie zuvor eins gehört hat.
Und der Mensch kann sich voll auf eine Tierart einlassen.
Meist gelingt es uns Verbraucher*innen ganz gut, den Akt des Tötens zu verdrängen. Sollten wir uns wieder mehr mit diesem Thema auseinandersetzen?
Auf jeden Fall – denn nur so kann es gelingen, unseren Konsum zu reduzieren. Wir halten etwa bewusst unsere Schweine neben dem Biergarten, wo der Schweinebraten auf der Speisekarte steht. Viele Verbraucher*innen haben Probleme damit, den unmittelbaren Zusammenhang von Leben und Lebensmitteln zu akzeptieren. An unserer Fleischtheke haben wir mal ein Schild aufgestellt mit der Aufschrift „Würdevoll gewachsenes Fleisch“.
Einige Kund*innen wollten, dass wir das Schild entfernen.
Welche Möglichkeiten haben wir überhaupt, dieser Entfremdung entgegenzuwirken?
Die Verbraucherschaft bekommt sehr viele Infos – etwa in Form von QR-Codes – , aber diese werden wenig angenommen. Ich appelliere an die Verbraucher*innen, sich als mündige Bürger*innen zu sehen und aktiv zu fragen:
Wo kommt das her? Man muss sich etwa im Restaurant trauen, eine unangenehme Kundschaft zu sein. Personen, die Fleisch verkaufen, sind dazu verpflichtet, diese Infos zu geben.
Ich bin oft entsetzt, wie wenig Wissen aber tatsächlich vorhanden ist.
"Wenn schon der Metzger nervös ist, weil die Gegebenheiten nicht gut passen, ist das keine gute Bedingung für eine stressfreie Schlachtung."
Was ist beim Kauf von Fleisch ein guter Anhaltspunkt für ein hochwertig erzeugtes Produkt?
Ich denke, dass die Kombination von Bio und Direktvermarktung ein hilfreicher Anhaltspunkt ist. Denn ein Tier wird nur geschlachtet, wenn genug Pakete bestellt wurden.
Ein Garant für minderwertig hergestelltes Fleisch ist ein niedriger Preis.
Würde eine Ernährung ohne Nutztierhaltung unsere Probleme lösen oder nur andere schaffen?
Veganismus haftet das Problem an, dass als Ersatz hochverarbeitete Lebensmittel dienen.
Möchte ich diese nicht konsumieren, bleiben mir fast nur Früchte und Gemüse.
Industriell hergestellte Lebensmittel entsprechen nicht meiner Philosophie von handwerklicher und ehrlicher Lebensmittelerzeugung. Laborfleisch halte ich demnach auch für keinen guten Lösungsansatz. Beim Verzehr von Insekten wird die Problematik von einem Tier zum nächsten verlagert. Derzeit stellen wir Versuche mit der Lupine an, einer heimischen Ackerfrucht, die viel Potenzial als Tierfutter, aber auch für eine vegetarische Ernährung bietet.
Auch wir machen uns Gedanken über Alternativen für die Zukunft.
Haben auch Bäuerinnen und Bauern bezüglich der Schlachtung eine Verantwortung?
Bio-Landwirt*innen haben sich ein bis drei Jahre um ein Tier gekümmert, es gut gehalten und gefüttert – ihnen ein artgerechtes Leben ermöglicht. Am Punkt des Schlachtens spielt das keine Rolle mehr. Die Landwirt*innen haben keinen Einfluss mehr. Daher sollten sie sich fragen:
Wohin gebe ich am Ende meine Tiere? Bei uns ist manchmal auch ein Bauer oder eine Bäuerin bei der Schlachtung dabei. Und einer unserer Landwirte bringt seinen Schweinen abends nach dem Transport noch Kräuter zur Beruhigung. Sein Anspruch ist, den Tieren auch auf ihrem letzten Weg beizustehen.
Von Ronja Zöls-Biber
Über die Herrmannsdorfer Landwerkstätten
Durch die Zusammenarbeit der hofeigenen Landwirtschaft mit den Partnerbauern aus der Region, die ausschließlich Verbandsmitglieder sind, und durch sorgfältige Handarbeit in unseren Werkstätten, erfüllen wir höchste Ansprüche an Geschmack und Genuss.
Wir erzeugen hochwertiges Fleisch, feine Schinken, Salamis und Würste, in denen nur steckt, was bei uns – achtsam! – selbst geschlachtet und verarbeitet wurde. Das bedeutet: kein Zukauf von Verarbeitungsfleisch, - mit Ausnahme von Bio-Geflügelfleisch.
Unsere Metzger arbeiten ganz traditionell nach der sogenannten “Warmfleischmethode“. Noch schlachtwarm wird das Fleisch in unserer Wurstküche zu frischen Würsten und Schinken verarbeitet, wie früher bei der Hofschlachtung. Das ist einzigartige Qualität, die man schmeckt.