Daniel Klücken, Vertriebsleiter der Böhmer Gruppe, sieht sich als Vermittler zwischen Kartoffel-Erzeuger*innen und Lebensmitteleinzelhandel. Damit hat er sowohl einen Überblick über den Anbau als auch den Markt der Bio-Kartoffel.
Herr Klücken, Ihr Unternehmen stellt eine Schnittstelle zwischen Bio-Landwirt*innen und dem LEH dar. Wie genau gestaltet sich Ihr Aufgabenfeld?
Wir betreuen einen festen Lieferantenstamm von rund 100 Bio-Erzeuger*innen, mit denen wir lange Geschäftsbeziehungen pflegen. Deren Kartoffeln kaufen wir ein, waschen, polieren, kalibrieren und verpacken sie – und liefern sie an den deutschen Lebensmitteleinzelhandel aus. Der empfindliche und feine Bio-Sektor bedarf unserer Meinung nach so viel Nähe, dass wir den Einkauf mit in den Vertrieb eingebunden haben. Schwankungen im Markt können wir so sofort aufnehmen und ihnen positiv entgegenwirken.
Beziehen Sie ausschließlich deutsche Ware?
Wir sind an einer langen deutschen Ernte und Vermarktung interessiert. Erfahrungsgemäß wird das aber ab Mitte Mai schwierig. In den vergangenen Jahren hatten wir ausschließlich heimische Bio-Kartoffeln im Angebot, aber je nach Menge und Qualität der Ware kann es im Mai auch sein, dass aus Ägypten, Israel, Spanien sowie Portugal importiert werden muss. Für uns gilt aber das Prinzip: Der Verkauf von vermarktungsfähigen deutschen Bio-Kartoffel muss abgeschlossen sein bevor Ware aus anderen Ursprüngen gehandelt wird.
Welchen Stellenwert haben Bio-Kartoffeln in Ihrem Betrieb?
Der Mengenanteil liegt bei unter zehn Prozent, aber wir sind trotzdem kein kleiner Marktteilnehmer mehr auf dem Bio-Sektor. Unser Unternehmen hält diesen für sehr wichtig, und wir würden uns wünschen, dass er in den nächsten Jahren an Wachstum gewinnt. Die allgemeinen Forderungen nach einer nachhaltigen Landwirtschaft müssen aber mit der entsprechenden Nachfrage einhergehen. Und diese können wir als Lebensmittel-Unternehmen nur gemeinsam mit der Politik, dem Einzelhandel und den Bio-Verbänden generieren.
"Der empfindliche und feine Bio-Sektor bedarf unserer Meinung nach so viel Nähe, dass wir den Einkauf mit in den Vertrieb eingebunden haben."
Die Politik hat sich als Ziel gesetzt: 30 Prozent Bio-Landwirtschaft im Jahr 2030. Wie kann die entsprechende Nachfrage für die Bio-Kartoffel denn generiert werden?
Wir als Böhmer-Gruppe können in erster Linie die Endverbraucher*innen nur mit Qualität überzeugen, da wir selbst in der öffentlichen Wahrnehmung kaum auftauchen. Den LEH und die Bio-Verbände sehen wir in der Pflicht, den Mehrwert vom ökologischen Landbau mehr in Richtung Endverbraucherschaft zu kommunizieren.
Welche Rolle spielt die staatliche Außer-Haus-Verpflegung?
Die größtmögliche Wertschöpfung liegt in der Frischevermarktung der Knolle. Um jedoch eine nachhaltige Vermarktung des gesamten Aufwuchses sicherzustellen, braucht es auch die weiterverarbeitenden Segmente. Hier sprechen wir einerseits den Verarbeitungsbereich an, beispielsweise Bio-Pommes – im Bio-Bereich noch eine Nische –, aber natürlich auch die Außer-Haus-Verpflegung. Wir brauchen ein Wachstum des Bio-Angebots, welches sich proportional am Wachstum des Frischmarktes orientiert. Dies bedarf jedoch auch politischer Unterstützung und einer bewussten Aufklärungs- und Bildungsinitiative für Kinder, Schüler*innen und Erwachsene, um den Mehrwert von Bio in die Breite zu tragen.
Warum steckt die Bio-Verarbeitung bei Kartoffeln noch derart in der Nische?
Nehmen wir das Beispiel Bio-Pommes: Im Lebensmitteleinzelhandel ist der Kauf von Bio-Pommes eine sehr bewusste Kaufentscheidung einer kleinen Verbrauchergruppe, die auch in dem Moment, in dem sie ausnahmsweise mal auf ein verarbeitetes Produkt zurückgreift, noch die bewusste Entscheidung für ein Bio-Produkt trifft. Alleine mit dieser ausgesuchten Verbrauchergruppe lässt sich jedoch nur ein begrenzter Absatz generieren. Hier muss das Bio-Produkt zukünftig auch weitere Käufergruppen für sich gewinnen.
Könnte eine höhere Nachfrage denn überhaupt bedient werden?
Erst muss die Nachfrage kommen, dann zieht der Anbau sukzessive nach. Geschieht es andersrum, dann wird die Überproduktion auf dem Rücken der Bauern und Bäuerinnen ausgetragen. Stand heute haben wir einen sehr hohen Grad an Marktsättigung und können Deutschland mit einer normalen Ernte bis Mitte Mai bedienen.
Wie gestalteten sich zuletzt die Erzeugerpreise?
Diese waren vergangenes Jahr mit 35 Euro pro Dezitonne defizitär. Die Ernte war stark und am Ende der Saison noch viel freie Ware verfügbar. Wir mussten aufpassen, dass die Ware der alten Ernte nicht mit der Ware der neuen Ernte kollidiert. Das ist uns am Ende dank der guten Zusammenarbeit mit dem Lebensmitteleinzelhandel gelungen.
Wie wird der Kartoffel-Markt 2022 aussehen?
Unsere Landwirt*innen werden die gleichen Flächen bewirtschaften wie im Vorjahr, das heißt, es
wird keine Mengensteigerungen aus unserem Haus geben. Nur so können wir unseren Landwirt*innen die Sicherheit bieten, die Ware abzunehmen. Ich gehe aber davon aus, dass es grundsätzlich zu einer Ausdehnung der Anbauflächen kommen wird. Wir hatten in letzter Zeit einige Anrufe von Neu-Umsteller*innen, die Kartoffeln anboten, für die es momentan noch keine Abnahme gibt. Da wird wohl noch so manche Kartoffel auf uns zurollen…
Von Ronja Zöls-Biber
"Die Forderungen nach einer nachhaltigen Landwirtschaft müssen mit entsprechender Nachfrage einhergehen."