Das neue EU-Bio-Recht

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Wie jedes Jahr lud der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zusammen mit dem Bundesverband Öko-Kontrollstellen (BVK) auch 2022 wieder zum Praxislehrgang Bio-Recht ein. Durchgeführt wurde der Lehrgang wie im Vorjahr als Online-Seminar. Mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Öko-Verordnung zum 1.1.2022 gab es mehr als genug Themen, welche von Rechtsexpert*innen sowie einem Fachanwalt diskutiert wurden. 

 

Nach einem kurzen Abriss über die neue Struktur der Öko-Verordnung durch BÖLW-Rechtsreferentin Tanja Barbian erläuterte Martin Rombach, Vorstand des Bundesverbandes für Ökokontrollstellen, die Umsetzung des Öko-Landbaugesetzes in den Bundesländern. Martin Rombach ist überzeugt, dass die in Deutschland praktizierte Durchführung des Ökokontrollverfahrens durch private Kontrollstellen viele Vorteile für die Öko-Betriebe mit sich bringe. Durch die freie Wahl der Kontrollstelle und die dadurch entstehende Konkurrenz zwischen den einzelnen Kontrollstellen sei die Öko-Kontrolle in Deutschland vergleichsweise günstig. Betriebe profitieren außerdem durch flexible Kontrollzeiten, welche bei einer amtlichen Durchführung der Kontrolle wohl nicht angeboten werden könnten.

Dokumentation von Vorsorgemaßnahmen

Dr. Georg Eckert vom BVK gab einen Überblick über Neuerungen im Bereich Erzeugung. Ein wichtiges „Take away“ für mich war hier die Definition von gemäß Öko-VO nicht zugelassenen Stoffen. Konkret gemeint sind hier etwa Betriebsmittel wie Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und, sobald die noch in Arbeit befindlichen Listen für Reinigungs- und Desinfektionsmittel fertig sind, auch diese Mittel. Nicht gemeint sind jedoch Umweltkontaminanten. Im Klartext heißt das: Öko-Landwirte müssen sich, um die Vorgaben der Öko-VO zu erfüllen, nicht um den Eintrag von Schadstoffen, zum Beispiel durch in der Nähe befindliche Straßen, Baustellen oder Industrie kümmern. Dem Eintrag von nicht zugelassenen Stoffen müssen sie allerdings mit geeigneten Vorsorgemaßnahmen entgegenwirken. Georg Eckert verwies dafür auf die Dokumentationsvorlage für die Vorsorgemaßnahmen, welche vom BÖLW – auch unter Mitwirkung des Biokreis e.V. – erarbeitet wurde. 

Beispiele für Rechtsstreits

Im sogenannten „Treffpunkt Recht“ gab Rechtsanwalt Sascha Schigulski insgesamt viermal während der Veranstaltung Einblick in rechtliche Fragen zur Öko-VO. Interessant fand ich zwei Gerichtsverfahren zum Thema Abdrift, bei denen die Oberlandesgerichte den Klägern – in beiden Fällen Öko-Landwirte, deren Produkte durch Pestizide verunreinigt wurden – Recht gab. 

Betroffen war einmal ein Öko-Landwirt, dessen Gemüse durch den Wirkstoff Pendimethalin kontaminiert war. Durch die Aberkennung des Öko-Status entstand ein erheblicher finanzieller Schaden, woraufhin der Landwirt seine konventionellen Nachbarn, die allesamt ein Pendimethalin-haltiges Pflanzenschutzmittel angewendet hatten, auf Schadenersatz verklagte.


Öko-Landwirte müssen sich nicht um den Eintrag von Schadstoffen, zum Beispiel durch in der Nähe befindliche Straßen, Baustellen oder Industrie kümmern.


Nach einem mehrjährigen Gerichtsverfahren, unter Miteinbezug von verschiedenen Gutachten bekam der Öko-Landwirt letztlich Recht. Dass er das Verfahren solange durchhalten konnte, war nicht zuletzt auch durch die Solidarisierung und finanzielle Unterstützung aus der Bio-Branche möglich. Interessant hierbei ist auch, dass das Oberlandesgericht im Laufe des Verfahrens den vom BNN herausgegebenen Orientierungswert von 0,01 mg/kg als Rückstands-Höchstwert für Bio-Betriebe herangezogen hat. 

Neue Regeln für Heimtierfutter

Alissa Schick referierte über neue Regelungen im Bereich Verarbeitung von ökologischen Erzeugnissen. Für Pet-Food-Produzenten, welche auch der Biokreis e.V. zu seinen Mitgliedern zählt, dürften die neuen Regelungen zur Produktion von Heimtierfutter interessant sein: Lange war unklar, welche Vorgaben mit Inkrafttreten der neuen VO gelten. Nun wurde, auch nach Einflussnahme des Biokreis e.V., zumindest die Zusammensetzung des Heimtierfutters durch einen Durchführungsrechtsakt geregelt. Dabei wurde Anhang 3 um Ausgangsstoffe erweitert, welche für die Herstellung von Heimtierfutter notwendig sind. Allerdings besteht nach wie vor ein Problem mit der Kennzeichnung des Futters. Damit das EU-Bio-Logo verwendet werden darf, müssen die Futtermittelkennzeichnungsvorschriften eingehalten werden.

 

Das heißt, der Trockengehalt der einzelnen Zutaten muss angegeben werden. Diese eigentlich nur für landwirtschaftliche Futtermittel geeignete Kennzeichnung – Landwirt*innen brauchen den Trockengehalt, um die Futterrationen berechnen zu können – ist für Heimtierfuttermittel unbrauchbar.  

Positivliste für Reinigungs- und Desinfektionsmittel

Erwähnenswert finde ich auch den in der neuen Verordnung erweiterten Anhang 1. Dieser wurde unter anderem um Bienenwachs, Salz und ätherische Öle ergänzt. Das heißt, diese Produkte fallen nun in den Geltungsbereich der Verordnung und können als „Bio“ gekennzeichnet werden. Zum Salz sei dazu angemerkt: Es ist weiterhin möglich, „normales“ Salz in Bio-Produkten zu verwenden.  


Mittel, die zur Reinigung beispielsweise von Büros verwendet werden, müssen nicht dokumentiert werden.


Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Positivliste für Reinigungs- und Desinfektionsmittel, welche ab 1.1.2024 gelten soll und sowohl verarbeitende als auch lagernde Betriebe betrifft. Bis zur Umsetzung der Positivliste dürfen Lebensmittelunternehmen weiterhin die bisher eingesetzten Mittel verwenden. Neu ist allerdings die Dokumentationspflicht im Rahmen der Vorsorgemaßnahmen. Alissa Schickt weist hier aber darauf hin, dass dies nur Mittel betrifft, die produktberührend sind. Heißt: Mittel, die zur Reinigung beispielsweise von Büros verwendet werden, müssen nicht dokumentiert werden.  

 

Erwähnen will ich noch den Vortrag von Sascha Schigulski zum Thema „Pflichten und Maßnahmen bei einem Verdacht auf Verstoß“ nach Artikel 27 der Öko-VO. Der Referent stellte zuerst klar, dass es sich hier um Verstöße beziehungsweise Maßnahmen zu deren Vermeidung handelt, welche konkret die Bio-Eigenschaft eines Lebensmittels in Frage stellen, nicht aber andere Eigenschaften des Produktes betreffen (beispielsweise Verstöße gegen das Lebensmittelrecht etc.).

 

Das Vorgehen dabei ist folgendes:

A Erzeugnis identifizieren und isolieren

B Prüfen, ob der Verdacht begründet ist

C Sperren des betroffenen Produktes während der Prüfung

D Bei begründetem Verdacht: Information an Öko-Behörde

E Zusammenarbeit mit Behörde

 

Der kritische Punkt in dieser Abfolge ist das Prüfen des Verdachtes und die Frage, wann eine Meldung an die Behörde abgegeben werden muss. Der Vortragende stellt dar, dass aus seiner Sicht jeder Öko-Betrieb das Recht, aber auch die Pflicht hat, eine eigene Prüfung vorzunehmen. Nicht jeder Fall muss und sollte an die Behörde „abgeschoben“ werden.

 

Von Christoph Helm

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