Zwei Fliegen mit einer Klappe

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Agri-Photovoltaik, die kombinierte Nutzung einer Fläche für die Landwirtschaft und für die Erzeugung von Solarenergie, gilt als ein Hoffnungsträger für die Energiewende. In einer Studie haben das Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) Technologien für die Energiewende untersucht. 

 

Landwirtschaftlich nutzbare Flächen sind begehrt. Längst werden dort nicht mehr nur Nahrungsmittel angebaut. Pflanzen wie Mais werden als Biomasse zur Energieerzeugung eingesetzt, und auf Äckern und Weiden aufgestellte Wind- und Solaranlagen generieren grünen Strom. In der Regel stehen der Anbau von Lebensmitteln und die Energieerzeugung in Konkurrenz zueinander. Diesen Konflikt nun soll die Agri-Photovoltaik, kurz Agri-PV, auflösen und auf einer Fläche beide Nutzungen parallel ermöglichen. Die Idee dahinter ist einfach: Werden die Solarmodule nicht direkt auf dem Boden, sondern in drei Metern Höhe aufgestellt, lassen sich darunter Beeren oder Tomaten anbauen oder Rinder und Schweine halten. Aber auch bodennah aufgestellt, lassen sich die Anlagen so platzieren, dass zwischen den Modulreihen Hühner gehalten werden oder auch Obstbäume wachsen können. 

 

Nicht nur der Konkurrenz um die begehrten Flächen kann so konstruktiv begegnet werden, heißt es von Befürwortenden der neuen Technologie. Mit der Stromerzeugung bietet sich für Landwirt:innen auch eine zusätzliche Einnahmequelle, die vom Agrarertrag unabhängig ist. „Folglich können PV-Anlagen eine interessante Möglichkeit zur Diversifikation der Einnahmen darstellen, die vor dem Hintergrund zunehmender Klimaveränderung an Bedeutung gewinnt“, heißt es in einer Einschätzung im Auftrag des Sächsischen Umweltamts. Und noch ein positiver Effekt für den Anbau von Obst und Gemüse wird erhofft: So können die Solarmodule die darunter oder daneben wachsenden Pflanzen in Dürresommern beschatten oder sie vor Hagelschlag schützen.

 

Insbesondere in trockenen Gegenden wie der Lausitz kann die zusätzliche Beschattung im besten Fall so zu einer Steigerung der Erträge führen. Voraussetzung dabei ist jedoch, dass Anbaukulturen und Solarmodule bestmöglich aufeinander abgestimmt sind, um Synergieeffekte zu erzeugen. Lichtliebende Kulturen wie Weizen oder Gerste sind für Agri-PV deutlich weniger geeignet als solche, die auch Schatten vertragen, wie Kartoffeln, Sellerie oder Winterweizen.

„Aus der Akzeptanzforschung wissen wir, wie wichtig die finanzielle Teilhabe der lokalen Bevölkerung ist. Deshalb muss sich Agri-PV auch für kleinere örtliche Landwirtschaftsbetriebe lohnen“
prof. dr. bernd hirschl

Bessere Landnutzungseffizienz

Doch auch im optimalen Fall werden die Erträge auf Agri-PV-Flächen sowohl in der landwirtschaftlichen Nutzung als auch in der Stromerzeugung im Vergleich zur herkömmlichen Variante geringer ausfallen. Dennoch ergibt sich durch die eingesparte Fläche ein Zugewinn in der effizienten Nutzung der Fläche. Prof. Dr. Bernd Hirschl forscht zu Energiewende und Klimaschutz an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Gemeinsam mit der akademischen Mitarbeiterin Annika Bode und weiteren Autor:innen hat er die Studie „Energiewende in der Lausitz“ veröffentlicht.

 

In ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen der Neuen Lausitz erläutern die beiden Wissenschaftler:innen, weshalb Agri-PV trotz Ertragseinbußen effizient ist. „Wenn 100 % Weizen auf einem Hektar angebaut wird und 100 % Solarstrom auf einem weiteren Hektar erzeugt wird, liegt die Landnutzungseffizienz bei 100 %. Wenn aber durch Agri-PV Erträge von 80 % Weizen und 80 % Solarstrom auf nur einem Hektar erzielt werden, steigt die Landnutzungseffizienz auf 160 %.“ Für die beiden Wissenschaftler:innen ist daher klar: Die Vorteile der kombinierten Nutzung überwiegen hinsichtlich der eingesparten Fläche deutlich gegenüber der getrennten Nutzung. 

 

Der auf der landwirtschaftlichen Fläche erzeugte Strom kann in das öffentliche Netz eingespeist werden, wofür der Bauer oder die Bäuerin vergütet wird. Oder aber der Strom wird gleich dort verbraucht, wo er erzeugt wird. Die „Steckdose auf dem Acker“ ist in Zeiten fortschreitender Automatisierung und Digitalisierung der Landwirtschaft durchaus nicht abwegig. Akkus von Fahrzeugen oder Drohnen können direkt vor Ort aufgeladen werden, der Weg zum Hof erübrigt sich.

Technologie noch in den Kinderschuhen

Bei all der Euphorie für die neue Technologie muss deutlich gemacht werden, dass es sich um eine Nische handelt, deren Umsetzung an eine Vielzahl von Faktoren gebunden ist. Bislang gibt es deutschlandweit nur etwa ein Dutzend Anlagen und die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Deutlich weiter ist man in China, wo allein 12 Gigawatt durch Agri-PV-Anlagen erzeugt werden. In Brandenburg ist das Vorhaben des Unternehmens Sunfarming aus Erkner auf 550 Hektar das größte seiner Art. Umgesetzt wird es in Steinhöfel, nordöstlich von Fürstenwalde. 

 

 

Bilder: Frauenhofer ISE

In einer Potenzialstudie geht die Stiftung Klimaneutralität in einer konservativen Schätzung davon aus, dass auf einem Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Agri-Photovoltaik sinnvoll und kosteneffizient angewendet werden kann. Ein Grund dafür sind die Mehrkosten bei der Installation und dem Betrieb der speziellen Solaranlagen. Diese könnten ausgeglichen werden, würden die Ökosystemdienstleistungen honoriert, die sich aus der Flächenschonung ergeben. Laut Bernd Hirschl und Annika Bode sei man mit der letzten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erste Schritte in diese Richtung gegangen.

 

Die Einspeisevergütung und Boni für die kostenintensiven Agri-PV-Anlagen genügten aber noch nicht, die Einstiegshürde für Landwirt:innen sei noch immer zu hoch. So müssten auch kleinere Anlagen unter 1 Megawatt Leistung speziell gefördert werden. „Aus der Akzeptanzforschung wissen wir, wie wichtig die finanzielle Teilhabe der lokalen Bevölkerung ist. Deshalb muss sich Agri-PV auch für kleinere örtliche Landwirtschaftsbetriebe lohnen“, teilen Hirschl und Bode mit. So sollten immer die finanzielle Beteiligung der angrenzenden Bevölkerung und der Kommune sichergestellt werden.

PV auf Wasser und an Fassaden

Was die innovative Solarstromerzeugung angeht, ist Agri-PV nicht die einzige hoffnungsvolle Technik für die Lausitz. Auch Floating-Photovoltaik auf Seeflächen und Solaranlagen an Fassaden sind Alternativen zu den gängigen Anlagen auf Ackerflächen und Dächern. Für die Wissenschaftler:innen der BTU ist Agri-PV jedoch die vielversprechendste Neuerung. „In unserer Potenzialstudie haben wir für die Lausitz herausgefunden, dass Agri-PV-Systeme mit über 2.230 MW den größten Beitrag zur Gesamtenergieerzeugung im Vergleich zu den anderen beiden genannten PV-Innovationen leisten.“

 

Das Potenzial für den Ausbau von Photovoltaikanlagen ist vor allem im sächsischen Teil der Lausitz hoch. Nimmt man alle Formen der Solarstromerzeugung zusammen und ergänzt die bisher genutzten Anlagen auf Dächern und Freiflächen um Agri-PV sowie schwimmende und fassadengebundene Anlagen, ließe sich nach Rechnung der beiden Wissenschaftler:innen die Gesamtleistung je nach Szenario bis 2040 verdrei- bis verneunfachen. Ihr Fazit ist daher wenig überraschend: „Wir erhoffen uns, dass Agri-PV als wichtiger Baustein für eine flächenschonende und schnell voranschreitende Energiewende erkannt wird.“

 

Von Fabian Lehmann

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