„Bio endet für mich nicht an der Stalltür“

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Dieter Stark (57) aus Wengen (Oberallgäu) wirtschaftet seit 26 Jahren biologisch und ist seit 2013 Biokreis-Landwirt. Er hat sehr konkrete Vorstellungen vom Lebensstil auf einem Bio-Bauernhof. Um glaubwürdig zu sein,  gehört für ihn unbedingt dazu, dass sich gerade Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern biologisch ernähren. Ein Gespräch über ein ökologisches Gesamtkonzept… 

 

Dieter, Du hast angeregt, in den BioNachrichten kritischer zu berichten – auch über die eigenen Verbandsmitglieder. Es stört Dich, dass manchen Bio-Bauern und -Bäuerinnen die richtige Einstellung zu Bio fehlt…

Ich finde die Frage wichtig, was Bio für die einzelne Person bedeutet: Ist es nur eine Wirtschaftsweise, mit der sich Geld verdienen lässt, oder ist es eine echte innere Einstellung, die man mit Ökolandbau verwirklichen will?

 

Was heißt Bio für Dich persönlich?

Ich komme ursprünglich aus der Demeter-Ecke. Für meine Eltern war die Natur wichtig, und sie waren dabei sehr selbstkritisch. Wir fuhren nicht in Urlaub, machten unser Vollkornbrot selbst, und einmal im Jahr ging es ins Unterland, um biologische Kartoffeln, Mehl und anderes zu kaufen. Mit diesem familiären Hintergrund bewirtschafte ich einen reinen Grünland-Betrieb im Berggebiet. Bio endet für mich nicht an der Stalltür. Es gehört mehr dazu.

 

Was genau?

Ein Bio-Kontrolleur hat mir mal gesagt: Es empfiehlt sich, auf einem Betrieb erst mal in den Haushalt zu gehen. Wenn hier 90 Prozent der sichtbaren Lebensmittel biologisch sind, kann man beruhigt in den Stall gehen. Bei mir zu Hause ist alles Bio außer Puderzucker. Für mich gehört zur Vorbildfunktion auch, kein großes Auto, keine riesigen Trecker zu fahren und nicht ständig in Urlaub zu fliegen.

 

Wo kaufst Du Deine Lebensmittel ein?

Mein Freund ist Bio-Gärtner. Was wir von dort nicht bekommen, kaufen wir im Bio-Laden oder in einem kleinen Edeka im Nachbardorf, der viele Bio-Produkte im Sortiment hat. Dort können wir auch Produkte bestellen. Ich esse so gut wie nie konventionelle Lebensmittel. Konventioneller Käse zum Beispiel schmeckt mir einfach gar nicht. 

 

Wie sieht es im Restaurant aus?

Essen gehe ich sehr selten, denn bei uns in der Gegend gibt es keine Bio-Restaurants. Wenn wir wegfahren, nehmen wir uns was mit. 

"Wie kann ich meine Erzeugnisse als Bio-Produkte vermarkten, wenn ich nicht selbst dahinterstehe und mich biologisch ernähre?"
dieter stark

Wer so konsequent Bio lebt, gerät sicherlich manchmal sozial unter Druck…

Was nützen die tollsten Ansichten, wenn sie nicht umgesetzt werden? Man muss es einfach so machen, wie man es für richtig hält. Ich bin ein Süßmaul, aber wenn mir wer konventionelle Schokolade schenkt, sage ich offen: Nimm sie bitte wieder mit, ich esse sie nicht. Back mir lieber einen biologischen Kuchen, den nehme ich gerne! Aber ich bin das gewohnt. Als Lacto-Vegetarier war es für mich lange Zeit sehr anstrengend, meine Ernährungsweise zu vertreten.

 

Obwohl Du Dich vegetarisch ernährst, bringst Du auch ab und zu eine Kuh zum Schlachten…

Letztes Jahr waren es zwei. Die eine wurde seit zweieinhalb Jahren nicht gemolken und wurde nicht mehr trächtig, die andere seit einem Jahr. Sie durften noch eine Weile mitlaufen mit den anderen, dann habe ich sie zum Bio-Metzger gefahren. Ich begleite sie bis zum Schluss, um ihnen ein möglichst angstfreies Sterben zu ermöglichen – auch wenn diese Situation für mich sehr schwierig ist. 

 

Die wenigsten Landwirt*innen, die ökologisch wirtschaften, nehmen es so genau wie Du. Sagst Du auch bekannten Bäuerinnen und Bauern Deine Meinung? 

Als wir nach Wengen zogen, waren wir öfter mal bei anderen Bio-Landwirt:innen eingeladen. Ich war schockiert, als ich auf einem Bio-Milchvieh-Betrieb Dosenmilch von Bärenmarke zum Kaffee serviert bekam. Da habe ich natürlich schon gefragt: Trinkt Ihr denn eure eigene Milch nicht? Die Antwort: Uns schmeckt die Dosenmilch besser… Es gibt leider vereinzelt Bio-Betriebe, die riesige Maschinen fahren und dafür beim Essen sparen. 

 

Bis 2030 will die Bundesregierung 30 Prozent Bio erreichen. Eine Steigerung des Absatzes ist hierfür Voraussetzung. So paradox es klingt: Wie kann man Bio-Landwirt:innen von Bio überzeugen?

Ich empfehle gerne besondere Bio-Käse-Sorten hier aus der Region, und auf diese Weise konnte ich auch schon einen konventionell wirtschaftenden Nachbarn von Bio begeistern. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass auch Bio-Bauern und Bio-Bäuerinnen zur Verbraucherschaft gehören, die eine große Verantwortung trägt. Ich frage mich: Wie kann ich meine Erzeugnisse als Bio-Produkte vermarkten, wenn ich nicht selbst dahinterstehe und mich biologisch ernähre?

 

Von Ronja Zöls-Biber

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