Seit zehn Jahren wirtschaftet Martin Wittl am Hatzenhof in der Oberpfalz nach den Vorgaben des Ökolandbaus, seit 2017 ist er Mitglied im Biokreis e.V.. Seit der Umstellung ist er noch einen großen Schritt weitergegangen und arbeitet daran, seine Flächen in eine möglichst naturnahe und biodiversitätsfördernde Wirtschaftsweise zu überführen.
Ein Schlüssel dafür waren die Lerchen. Die Bio-Umstellung brachte es mit sich, dass Martin Wittl regelmäßig in langen Spaziergängen seine Flächen abging, um nach dem Rechten zu sehen: Wie entwickeln sich die Pflanzen? Welche Besonderheiten weist der Boden an welchen Schlägen auf? Wie wirken sich umliegende Landschaftsstrukturen auf die Felder aus?
Bei diesen Ausflügen mit aufmerksamem Blick fielen ihm zwei Feldlerchen-Pärchen auf. Vor der Umstellung hatte er die Vögel nur gelegentlich im Frühjahr auf seinen Flächen gesehen. Im Sommer waren sie dann verschwunden. Nun aber blieben sie die ganze Vegetationsperiode vor Ort. Martin Wittl erklärt sich das durch den lichteren Bewuchs und die größere Nahrungsvielfalt, die es nach der Umstellung auf den Flächen gab. Bei konventioneller Bewirtschaftung war das Getreide auf dem Acker nach dem Frühjahr vermutlich zu dicht gewesen. Zudem fehlten Ackerkräuter und Insekten als Nahrungsgrundlage für die Lerchen.
Im Jahr zwei nach der Umstellung waren schon drei oder vier Pärchen den Sommer über auf Martin Wittls Flächen zu beobachten. Gezielte Vertragsnaturschutzmaßnahmen zur Förderung der Lerchen brachten dann den Durchbruch: Im letzten Jahr waren es so viele Pärchen, dass er sie nicht mehr richtig zählen konnte.
Bodenbrüter mit Vorliebe für offenes Gelände
Die Feldlerche brütet in offenem Gelände am Boden, bevorzugt in der offenen Feldflur oder auf größeren Rodungsinseln und Kahlschlägen. Sie meidet dichte Vegetation. Daher sind Brachflächen, extensives Grünland und Sommergetreide günstig für ihr Vorkommen, da hier am Beginn der Brutzeit die Vegetation niedrig und lückenhaft ist.
Deshalb führte vor allem die starke Intensivierung der Landwirtschaft seit den 1970er-Jahren zu starken Bestandsrückgängen der Feldlerchen in Deutschland. Zum Beispiel wirkte sich die Einengung der Fruchtfolge mit verstärktem Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln ungünstig auf die Bestände aus. Aber auch der verstärkte Anbau von Mais, in dem Feldlerchen nicht brüten, führte zum Rückgang der Vögel. Man geht davon aus, dass die Zahl der Tiere in Deutschland und in ganz Europa seitdem um etwa die Hälfte eingebrochen ist. Die Feldlerche steht heute bei uns in Kategorie 3 der Roten Liste und hat damit den Status „gefährdet“.
„Wenn man sich dafür interessiert und die Natur beobachtet, macht das richtig Spaß. Mich begeistert das.“
Um die Feldlerchen wieder zurück in unsere Kulturlandschaft zu holen, sind heute meist gezielte Maßnahmen notwendig, die auf die Bedürfnisse der Vögel eingehen. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg bei der Wiederansiedelung ist die Gebietskulisse der Flächen. Martin Wittls Flächen sind für geradezu prädestiniert für die Feldlerche: Die Flächen sind groß, aber in kleinere Schläge aufgeteilt. Rundum gibt es nur wenig Gehölz, auf dem Acker stehen keine Bäume. Das kommt den Bodenbrütern zugute, denn so entgehen sie Angriffen durch Greifvögel, die von Bäumen aus nach Beute spähen.
Lerchen brauchen lichte Felder
Zum Schutz der Lerchen gehört eine angepasste Bewirtschaftungsform der Flächen: Striegeln sollte man nach Möglichkeit und spätestens ab Mitte April ganz unterlassen, um von den Vögeln angelegte Nester und Gelege nicht zu zerstören. Aufs Hacken der Kulturen muss komplett verzichtet werden, denn Jungvögel würden den Einsatz der Geräte nicht überleben.
Durch den Verzicht aufs Striegeln wachsen mehr Beikräuter. Diese sind aber wichtige Grundlage für Insekten, die wiederum die Lerchen als Futter brauchen. Deshalb gilt: Umso mehr Vielfalt auf dem Acker, desto besser geht es den Lerchen.
Ebenfalls gilt: je lichter der Bestand auf dem Acker, desto besser für die Lerchen. Auf extensiveren Flächen haben sie bessere Anflugmöglichkeiten zum Nest. Außerdem finden sie dort ein größeres Nahrungsangebot. Damit das Getreide nicht zu dicht wächst, sollten die Böden nicht zu nährstoffhaltig sein. Vom Kleegrasanbau sieht Martin Wittl daher so lange wie möglich ab. „Das ist ein ganz anderes Wirtschaften, als es die Beratung einem üblicherweise empfiehlt“, stellt er lächelnd fest. Für ihn ist diese extensive Herangehensweise in Ordnung, denn die Mindererträge werden durch die VNP-Förderung ausgeglichen.
Lerchenfenster machen Sinn – aber nur an passender Stelle
Wo das Getreide dünn steht, zum Beispiel bei Sommergerste oder auch bei Weizen, finden Lerchen ihren Raum auch ohne weitere Unterstützung. Bei allen Winterungen sollten aber Lerchenfenster angelegt werden, will man die Vögel auf den Flächen fördern. Bei Lerchenfenstern handelt es sich um gezielt angelegte Fehlstellen in Getreideäckern, die während der Aussaat der Kultur durch Anheben der Sämaschine oder nachträglich durch mechanisches Freistellen wie Grubbern oder Fräsen angelegt werden.
Entscheidend ist die Positionierung der Lerchenfenster: Lerchen brauchen lichtes Gebiet, dieses sollte aber für Beutegreifer möglichst schwer zugänglich sein. Mindestens 100, besser 200 Meter sollten die Lerchenfenster wegen Greifvögeln vom nächsten Baum oder Mast entfernt sein. Auch Fuchs und Dachs sind ein Problem, weil sie die Gelege suchen und die Eier fressen. Zum Schutz vor ihnen müssen die Lerchenfester mindestens 30, besser 40 Meter von Feldwegen entfernt liegen. „Wer mit Fahrgassen arbeitet, hat kaum eine Chance beim Schutz der Lerche“, erklärt Martin Wittl, denn Dachse und Füchse nutzen sie für ihre Wege und verschaffen sich so Zugang zu den Nestern.
Hat man die Flächen mit den entsprechenden Voraussetzungen, sind schon wenige Fenster ausreichend, um einen großen Effekt zu erzielen. Martin Wittl hat die Erfahrung gemacht, dass drei Lerchenfenster auf zehn Hektar bereits ausreichen – sofern sie richtig positioniert sind. „Die Gebietskulisse muss passen.“ Deshalb legt er die Fenster im Zentrum von vier Schlägen an, einer Fläche mit maximalem Abstand zum nächsten Baum oder Gehölz.
Und wie funktioniert die Anlage der Fenster? – Der Aufwand ist gering: „Ich bleibe bei der Aussaat einfach mal stehen und fahre einen halben Meter weiter, das reicht aus“, erklärt Martin Wittl. So entsteht durch die Breite der Maschine eine Fläche von circa 1 x 3 Metern – ausreichend für die Vögel, die im Steilflug von ihren Nestern aufsteigen. Der Ernteausfall, der durch die Fenster entsteht, ist minimal, schließlich geht es nur um wenige Quadratmeter.
Will man Lerchenfenster anlegen, kommt es auf Genauigkeit nicht an. Wichtiger ist es, das Verhalten der Vögel von Jahr zu Jahr zu beobachten und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Martin Wittl beobachtet vor allem die Starts und Landungen der Vögel im Acker, um festzustellen, wo die Lerchen sich aufhalten: „Wenn man sich dafür interessiert und die Natur beobachtet, macht das richtig Spaß. Mich begeistert das.“
Von Stephanie Lehmann