Energiewende im Ökolandbau

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Marcus Killinger (47) steht auf seinem seit 23 Jahren biologisch geführten Betrieb zwischen Haus, Stall und Biogasanlage – und schaut hinaus in die Umgebung. „Wenn es so weitergeht, werde ich als Einziger übrig bleiben“, sagt der Biokreis-Bauer aus Zenting im Landkreis Freyung-Grafenau im Bayerischen Wald, nachdenklich. Rund um ihn herum Grünland, Wald und Acker. So weit das Auge reicht, gehören die Flächen zu seinem Hof. Als die umliegenden Bauern und Bäuerinnen aufgehört haben, hat er die Flächen nach und nach übernommen. Seit er selbst die Milchviehwirtschaft aufgab, gibt es keine Milchbauern mehr im Dorf. 130 Hektar bewirtschaftet er heute, 60 Mutterkühe hat er im Stall, mit Jungvieh rund 130 Tiere. „Meine Fläche kann ich nicht an die Mutterkuhherde verfüttern“, sagt er. Doch was mit dem übrig gebliebenen Futter tun? Dazu ließ er sich im Jahr 2010 beraten und landete schließlich 2011 beim Bau einer Biogasanlage. Die damals festgelegte Einspeisevergütung sorgt dafür, dass sich diese Art der Stromerzeugung auch finanziell für ihn lohnt.

Keine Abfälle wie bei Kohle- oder Atomkraft

Gülle, Mist, Gras und Getreide kommen in einen stationären Mischer und von dort in die erste Grube. „Wie in einem Kuhmagen“ kommt permanent Nachschub. Auf 42 Grad wird das Gemenge erhitzt und gärt so lange, bis Gase entstehen, „etwa so wie auf einem Misthaufen“, erklärt Marcus Killinger. In der zweiten Grube, über der sich je nach Gasmenge eine Dachplane ballonartig aufwölbt, findet die Nachgärung statt. Die Gase treiben einen Motor an, der über einen Generator Strom erzeugt. Die Anlage läuft auf 130 kW. Unterhalb wird der Rest des Gemischs in ein Betonbecken geleitet. Schwarz und braun schwimmt die Masse darin, stellenweise kann man noch Futterreste sehen. Der Geruch hält sich in Grenzen. Später wird das Gemenge ausgebracht. „Das ist wertvoller Dünger für den Acker“, sagt der Bio-Bauer, „und ich produziere keine Abfälle wie bei der Stromerzeugung mit Kohle oder Atomkraft.“ Außerdem könne er die Betriebsweise flexibel hoch- oder runterfahren. 
 
Mit Kritik sah er sich jedoch seitdem immer wieder konfrontiert. Wirfst Du da Lebensmittel hinein?, wurde er oft gefragt. „Ich produziere Strom aus nachwachsendem Material“, sagt er entschieden. „Grassilo und Futtergetreide wachsen hier auf meinen Flächen. Futtermais kaufe ich aus der Nachbarschaft zu. Gülle und Mist kommt von meinen Tieren. Ich produziere im Kreislauf und verwerte auch noch Reste von anderen Landwirt:innen. Sprit verfahre ich, ja. Aber irgendeinen Einsatz braucht es immer.“
„Ich produziere Strom aus nachwachsendem Material. Grassilo und Futtergetreide wachsen hier auf meinen Flächen. Futtermais kaufe ich aus der Nachbarschaft zu. Gülle und Mist kommt von meinen Tieren. Ich produziere im Kreislauf und verwerte auch noch Reste von anderen Landwirt:innen. Sprit verfahre ich, ja. Aber irgendeinen Einsatz braucht es immer.“
marcus killinger

Wärme für die Nachbarschaft

Strom ist das eine, Wärme das andere. Jenseits des Hügels, den man von der Biogasanlage aus überblicken kann, sind ein paar Dächer zu sehen. Sie gehören zu den vier Häusern, die er neben seinem eigenen Wohnhaus über Wärmeleitungen mitversorgt. Zwölf weitere Anfragen hat aus der Nachbarschaft. Im Sommer könnte er sie problemlos mit seiner Wärme versorgen. Im Winter würde es zusätzlich eine Hackschnitzelanlage erfordern, um diese Häuser mitzuheizen. Dafür hat er einen Antrag gestellt. Ob dem stattgegeben wird, ist unklar. „Keiner kann momentan sagen, ob Holz politisch noch gewollt ist“, sagt Marcus Killinger. Und das ist eine weitere Baustelle. Auf seinen zehn Hektar Wald erzeugt er Brennholz, das er jedoch selbst nicht mehr braucht, weil er sein eigenes Haus über die Biogasanlage versorgt. Die geplante Hackschnitzanlage würde ihm hier zu Gute kommen. „Natürlich lief der Brennholzverkauf in diesem Winter nicht schlecht. Das wird aber auf Dauer nicht so bleiben.“ Die neuen Häuser würden mit Wärmepumpen gebaut, jüngere Leute hätten auf Holzöfen keine Lust – denn Holz bedeute auch Arbeit. Aber hier in der Gegend sei das Holz eben vorhanden. 

„Entweder werfen sie einem das Geld hin, oder es gibt gar nichts.“

Neben Biomasse und Holz setzt der Bio-Bauer seit 2005 auch auf Photovoltaik – und zwar auf den Dächern seiner Hallen. Von Agriphotovoltaik hält er persönlich wenig. Viele gute Ackerflächen seien damit zugepflastert worden, auf denen eigentlich auch Lebensmittel produziert werden könnten. In den wenigsten Fällen grasen darunter tatsächlich Schafe. Auf der einen Halle erzeugt er 24 kW, auf der anderen 75. Mit der Einspeisevergütung von damals lohne sich nicht einmal der Eigenverbrauch. Er kritisiert hier auch die politischen Rahmenbedingungen: „Entweder werfen sie einem das Geld hin, oder es gibt gar nichts.“ Auch für Windkraft würde er seine Flächen nutzen, wenn sie geeignet wären; sie hält er für eine der effektivsten Arten der Stromerzeugung. Die Produktion des Windrads sei hier der Einsatz, ansonsten entstehe kein Müll.

 

Von der Politik wünscht er sich weiterhin die Förderung der nachwachsenden Rohstoffe Holz und Biomasse – letzteres aber nur in Verbindung mit Tierhaltung. Große Biogasler, die ohne Tierhaltung 500-kW-Anlagen betrieben und die Pachtpreise in die Höhe schießen ließen, hätten seiner Ansicht nach nie erlaubt werden dürfen. Und: Ein Bio-Betrieb mittlerer Größe muss leben können. „Wenn die Bürokratie weiter so ausartet und immer mehr sinnlos dokumentiert werden muss, wird der Stundenlohn stetig geringer und die Landwirtschaft unrentabel.“

 

Von Ronja Zöls-Bieber

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