Etwas aufgeregt, aber auch erwartungsvoll ist Tom Bergmeier schon, wenn er vom Fenster auf seinen Acker hinausschaut. Seit Mitte März liegen erstmals Belugalinsensamen in der Erde des Hauslhofs. Etwa fünf Zentimeter tief hat er sie in den sandigen Lehmboden des niederbayerischen Vilstals gesetzt. Vorwiegend werden Linsen auf kargen Böden gesät, da diese auch auf anspruchsloseren Standorten gedeihen. „Wir gehen ins Risiko und probieren es aus. Wenn es nicht klappt, haben wir was gelernt“, sagt Tom Bergmeier. In Reinsaat sind Belugalinsen stark anfällig für Verunkrautung. Darum werden die Linsen im Gemenge mit Leindotter, der als Stützfrucht und Bodenbedecker und somit als Unkrautunterdrücker wirkt, gesät. Auch die Wurzelausscheidungen des Leindotters können Unkraut im Wachstum hemmen.
Zusammen mit seinem Schwager Hans Grötzinger hat Tom Bergmeier die Direktvermarkter-Marke „Voi Guad Bio“ gegründet. Voi Guad gehört wie die von den beiden Landwirten bewirtschafteten Höfe ebenfalls zum Biokreis. Das Unternehmen brachte vor ein paar Wochen zeitgleich mit angekeimten Kichererbsen und Hafer das neue Produkt „Gekochte Belugalinsen“ auf den Markt. „Da die Verfügbarkeit fehlt, versuchen wir so viel wie möglich auf den eigenen Äckern anzubauen und hier in die Breite zu gehen. Außerdem ist das Konzept von Voi Guad, möglichst alle Kulturen der eigenen Betriebe unter dem Dach einer starken Marke zu vermarkten und eine diverse breite Fruchtfolge gestalten zu können“, erklärt Tom Bergmeier.
„Voi Guad“ soll eine starke Marke in Bauernhand mit einem breiten Sortiment werden, das die Überlebenschancen kleinerer bäuerlicher Betrieben unterstützt und die Wertschöpfung zwischen Produktion, Vermarktung und Landwirtschaft fair verteilt.
Sinnvoll für Ackerbau und Vermarktung
Eiweißfrüchte sind für die beiden Landwirte sowohl aus ackerbaulicher und als auch aus Vermarktungssicht interessant. Eine sinnvolle Fruchtfolge kombiniert sich mit der Erweiterung des pflanzlichen Ernährungsspektrums und der Möglichkeit zur Veredelung. Das Endprodukt sei „ready to eat“, bequem für die Verbraucherschaft, die sich schnell mal ein Päckchen Linsen öffnen und damit den Salat verfeinern will. Auch die vegane Gastronomie sei ein Riesenmarkt. Wenn das Experiment mit der Linse so aufgeht, wie sich die beiden das vorstellen, wird es auch ökonomisch lohnenswert sein. „Mit 800 bis 1000 Kilo Ertrag pro Hektar erreiche ich den gleichen wirtschaftlichen Ertrag wie mit 6 Tonnen Hafer“, erklärt Tom Bergmeier.
Doch noch ist es nicht so weit, auch wenn der Erfolg oder Misserfolg nicht allzu lange auf sich warten lassen dürfte. Je nach Witterung braucht die Linse nur 100 bis 120 Tage, ist also nach rund dreieinhalb Monaten erntereif. Hier in Münchsdorf an der Vils wurden auf zwei Äckern mit je drei Hektar rund 55 Kg/ha Linsen ausgesät – und zwar im Gemenge mit 5 Kg/ha Leindotter als Stützfrucht. Es komme darauf an, das Unkraut durch Striegeln unter Kontrolle zu halten. „Leicht wird´s nicht. Aber wir machen Bio. Ansonsten könnten einfach wir mit der Spritze drüberfahren“, sagt er besonnen. Die Ernte stelle keine besondere Herausforderung dar. Eine Königsdisziplin sei dagegen die Trennung des Gemenges nach der Ernte – eben in Linsen und Leindotter.
Die Linse ist erst der Anfang
Das Mindest-Ziel: 600 Kilo dreschen, 200 bis 300 wären mit finanziellen Einbußen im Vergleich zu Hafer oder Weizen verbunden. Schon im Vorjahr hat ein benachbarter Landwirt im Auftrag von „Voi Guad“ einen halben Hektar Belugalinsen angebaut. Rund 300 Kilo erzielte dieser am Ende – konnte aber seine Erfahrungen und Fehler nun weitergeben. Von der Ernte des Nachbarlandwirts wird die erste Charge der Voi-Guad-Belugalinsen mit etwas Salzlake gekocht und in die regionalen Märkte gehen. Und wenn es nichts wird mit dem regionalen Nachschub? „Dann brauchen wir einen Plan B. Im süddeutschen Raum und in Österreich gibt es erfahrene Linsenanbauer:innen, die gegebenenfalls als Partner für Voi Guad Bio gewonnen werden könnten.“
Beim Versuch mit der einen Hochrisikofrucht wollen Tom Bergmeier und Hans Grötzinger es auch nicht belassen. Bohnen und weitere Kulturen, die auf niederbayerischen Äckern nicht zum Standardrepertoire gehören, könnten als nächstes auf den Acker kommen. Denn „Voi Guad“ soll eine starke Marke in Bauernhand mit einem breiten Sortiment werden, das die Überlebenschancen kleinerer bäuerlicher Betrieben unterstützt und die Wertschöpfung zwischen Produktion, Vermarktung und Landwirtschaft fair verteilt.
Von Ronja Zöls-Biber