Dr. Herwart Böhm forscht am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst bereits seit 2002 zum Anbau von Leguminosen. Im Interview erklärt er deren Bedeutung für Ökolandbau, Artenvielfalt, Bodengesundheit und Klima – und spricht über die Zukunft der heimischen Hülsenfrüchte.
Herr Dr. Böhm, Leguminosen und Ökolandbau – gehört das zusammen?
Der Anbau von Leguminosen spielt eine beachtliche Rolle, denn Leguminosen sind wegen ihrer Fähigkeit, Luftstickstoff zu fixieren, der Motor eines jeden Öko-Betriebs. Gleichzeitig bieten sie der Ökolandwirtschaft das Potenzial, eiweißhaltige Futtermittel regional zu erzeugen. Sie sind nicht nur als Hauptkultur, sondern auch als Zwischenfrucht relevant, wodurch auch noch Gründüngung bereitgestellt wird.
Welche Effekte auf Biodiversität und Bodengesundheit ergeben sich dadurch?
Im konventionellen Anbau sind die Fruchtfolgen oftmals sehr verengt. Umstellende auf Bio etwa können mit Leguminosen auf dem Acker wirkungsvoll die Artenvielfalt erhöhen. Das Blütenangebot verbessert sich, Insekten wie Bienen, Wildbienen und Hummeln profitieren. Der Zwischenfruchtanbau bietet die Möglichkeit, deren Nahrungsangebot räumlich und zeitlich gestaffelt sicherzustellen. Insekten finden also nach der Rapsblüte im Frühjahr auch noch im weiteren Verlauf der Vegetationsperiode Nahrung.
Vor allem bei mehrjährigen Futter-Leguminosen kommt es zu einer intensiven Durchwurzelung des Bodens. Das Bodenleben wird angeregt, Regenwürmer und andere Tiere wirken und erzeugen Bio-Poren, die für Durchlüftung und einen Drainage-Effekt sorgen. Starkniederschläge können so schneller in tiefere Schichten abgeführt werden. Zudem kommt es zu Humusaufbau und damit zu einer besseren Wasserspeicherkapazität, was sich angesichts von Wetterextremen positiv auswirkt.
"Ein wichtiger Rat ist, sich vor dem Anbau einer für den Betrieb neuen Körnerleguminosenart um die Vermarktungsmöglichkeiten zu kümmern und möglichst feste Verträge abzuschließen."
Ist Leguminosen-Anbau eine Klimaschutzmaßnahme?
Durch Humusaufbau auf dem Acker kann CO₂ gespeichert werden. Allerdings ist eine schonende Bodenbearbeitung Voraussetzung, um diesen Effekt zu erhalten. Doch Leguminosen-Anbau trägt noch auf andere Weise zum Klimaschutz bei. Es wird keine fossile Energie benötigt, um Stickstoffdünger zu produzieren. Denn dieser wird durch Leguminosen frei Haus und klimaneutral ins Betriebssystem eingetragen.
Hat der Klimawandel den Leguminosen-Anbau beeinflusst?
Ja, es sind hier tatsächlich Veränderungen festzustellen. Man beobachtet, dass es bei Ackerbohnen oder Lupinen während starker Hitzeperioden zu Blütenabwurf kommt. Daher ist Gemenge-Anbau zunehmend ratsam, denn das Risiko verteilt sich hier auf zwei oder drei Kulturarten. Auch Alternativen in der Artenauswahl sind zu erwägen. Die Vielfalt an Leguminosen beinhaltet mehr als 700 Gattungen und mehr als 20.000 Arten. Man darf hier mit Neugier neue sinnvolle Arten gewinnen. So gibt es etwa immer mehr Versuche mit Kichererbsen und Linsen.
Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit im Leguminosen-Anbau aus?
Zu Futterleguminosen gibt es bislang nur wenige Daten. Aber im Ökolandbau gehören sie ohnehin in das Anbausystem, vor allem um selbst gutes Futter zu erzeugen. Man muss sich hier über die Wirtschaftlichkeit keine großen Gedanken machen. Bei den Körnerleguminosen ist die Ökolandwirtschaft ökonomisch im Vorteil gegenüber der konventionellen. Sowohl für Futter als auch für die Ware für die Lebensmittelverarbeitung werden höhere Preise erzielt – wobei insbesondere für letztere die Qualitätsanforderungen ungleich höher sind. Beispielsweise sind Farbe,Proteingehalt oder Alkaloidgehalte genau definiert. Vor allem bei Soja sind die Ertragsunterschiede zwischen Bio und Konventionell sehr gering, wenn die mechanische Unkrautregulierung gut funktioniert. In warmen Regionen ist die Sojabohne daher für die Ökolandwirtschaft eine interessante Frucht. Ein wichtiger Rat ist, sich vor dem Anbau einer für den Betrieb neuen Körnerleguminosenart um die Vermarktungsmöglichkeiten zu kümmern und möglichst feste Verträge abzuschließen.
Welche Probleme können beim Anbau von Leguminosen auftreten?
Schwierigkeiten entstehen oft, wenn Anbaupausen nicht eingehalten werden. Dann können Krankheitserreger auftreten – und hierzu verfügen wir noch über wenig Wissen. So gibt es beispielweise Krankheiten, die sowohl Erbsen als auch Rotklee befallen. Eine Fruchtfolge mit diesen beiden Arten ist also ungünstig. Selbst bei Soja, das als selbstverträglich gilt, wird inzwischen eine Anbaupause von drei bis vier Jahren empfohlen.
Ein großer Teil der Speiseleguminosen wird immer noch importiert. Waren wir beim Anbau bisher zu zögerlich?
Sicher hätte man früher damit beginnen können. Aber der Anbau macht nur Sinn bei funktionierender Vermarktung und Kaufinteresse von Seiten der Verbraucherschaft. Wenn wir unsere Ernährung überdenken, weniger Fleisch und dafür mehr Leguminosen nachfragen, können wir auch mehr Geschwindigkeit in Forschung und Produktentwicklung bringen – und uns gleichzeitig gesünder ernähren.
Stehen Tierhaltung und Ausbau von Hülsenfrüchten in Konkurrenz zueinander?
Im Ökolandbau sehe ich keine Konkurrenzsituation. Zwar werden auch hier zwei Drittel der erzeugten Leguminosen für die Fütterung eingesetzt, aber würde man ein paar Prozent mehr in die Humanernährung verlagern, wäre das keine weitreichende Veränderung. Die meisten Bio-Konsument:innen essen ohnehin weniger Fleisch als der Rest der Verbraucherschaft. Die größere Umstellung steht im konventionellen Bereich an. Wenn wir 30 Prozent Ökofläche haben, werden auch mehr Leguminosen vorhanden sein und mehr Fleisch ersetzen können.
Was braucht es – abgesehen von der Nachfrage –, um den heimischen Leguminosen-Anbau künftig auszuweiten?
Vor allem Fruchtfolge-Forschung und -Systeme, die den Leguminosen-Anbau nachhaltig und langfristig integrieren können, ohne eine Gefahr für Pflanzen- und Bodengesundheit darzustellen. Denn einige Krankheitserreger können mehr als zehn Jahre im Boden überleben, wie wir inzwischen wissen. Doch in dieser Richtung wurden bereits die Weichen gestellt. Die Eiweißpflanzenstrategie des BMEL, die 2023 noch einmal um drei Millionen Euro aufgestockt wurde, ist nur ein Beispiel. Es gibt viele Bestrebungen, neue Kulturarten zu prüfen, den Anbau zu fördern und Zuchtfortschritte zu realisieren, so dass wir auch neue Sorten erwarten dürfen.
Von Ronja Zöls-Biber
Dr. Herwart Böhm forscht am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst bereits seit 2002 zum Anbau von Leguminosen.