Das Geheimnis um Soraya, Mariola und Emmalie

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Die Region Franken ist seit jeher eine Kartoffelgegend. Schon im 16. Jahrhundert wurde die damalige Tartuffel, abgeleitet vom italienischen Wort „tartufolo“  für Trüffel, wiederum abgeleitet von lateinisch „terrae tuber“  für Erdknolle, auf den sandigen, lockeren Böden Frankens angebaut. Und da die Kartoffel zur Direktvermarktung einfach gut passt, begann Gerhard Kerschbaum, der im  Jahr 2000 den elterlichen Betrieb in Hemhofen übernahm und 2005 auf Bio umstellte, vor neun Jahren mit dem Anbau seiner Bio-Kartoffeln.

 

„Ich habe mich hineingetastet, klein und klassisch angefangen und immer wieder neue Sorten ausprobiert“, erzählt der Biokreis-Bauer. Mehr als 20 Sorten hat er mittlerweile getestet, und in seinem Hofladen ist immer noch Vielfalt angesagt: Die blaufleischige Purple Rain, die blaue Anneliese, die rotfleischige Heiderot und die rote Emmalie buhlen hier mit Laura, Mariola, Soraya, Sissi, Jelly und den Bamberger Hörnchen um die Aufmerksamkeit der Kundschaft.

 

Heute führt Gerhard Kerschbaum den Gemüse-Betrieb gemeinsam mit Achim Krödel, und die beiden haben in diesen Tagen einiges zu tun. Auf zehn Hektar erzeugen die beiden Sonderkulturen wie Meerrettich, Kürbis, Spargel und Erdbeeren – und eben Kartoffeln. Das Kartoffeljahr begann Ende Februar mit dem Vorkeimen der Frühkartoffeln. In zehn Zentimeter hohen, 30 mal 50 Zentimeter großen Vorkeimkisten wurden die Kartoffeln in einer leicht beheizten Halle so lange zum Keimen angeregt, bis etwa ein Zentimeter Trieb herausgewachsen war.

 

Kurze Zeit später folgten die anderen Kartoffeln. Mindestens zwölf Grad soll der Boden warm sein, wenn die Erdäpfel auf die Felder kommen. Dann werden sie behutsam per Hand in die Erde gelegt, damit die Keimlinge nicht abbrechen. Pro Reihe ist eine Person dafür nötig. Familie, Bekannte und Verwandte helfen hier alljährlich zusammen. Mit der zweireihigen Legemaschine schaffen sie einen Hektar pro Tag.

 

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„Wir können keine Wunder vollbringen“

In den folgenden Wochen wird gehackt und gestriegelt, um den Unkrautdruck möglichst klein zu halten, bis die Pflanze etwa 20 Zentimeter aus dem Damm herausragt, denn dann ist das Risiko zu groß, diese zu beschädigen. Irgendwann, meist im Juni, kommt der Kartoffelkäfer. Je wärmer es ist, desto stärker pflanzt er sich fort – und das in mehreren Wellen. Die Blätter werden im Ökolandbau mit Neem Azal besprüht, das aus den Kernen des tropischen Neembaums gewonnen wird. Dadurch gehen die Larven des Käfers ab.

 

Eine Alternative wären Absammelgeräte, die die Schädlinge mit Windkraft herabblasen und in kleine Schiffchen auffangen. „Wir haben uns gegen diese Technik entschieden, denn sie ist mit viel Aufwand verbunden und verursacht auch Schäden an den Blättern, durch die wiederum Krankheiten in die Pflanze eindringen können“, erklärt Gerhard Kerschbaum.

 

Gegen Krankheiten wie die Kraut- und Knollenfäule gehen die beiden Landwirte üblicherweise mit flüssigem Gesteinsmehl, Aminosäuren oder Pflanzenstärkungsmitteln wie Algensaft vor. Hilft das alles nicht, wird ein Kupferpräparat eingesetzt.  „Wir kommen mit einer Spritzung zurecht“, sagt Achim Krödel. „Uns ist klar, dass die Verbraucherschaft ein Bio-Produkt will, aber wir können keine Wunder vollbringen.“ Wichtig sei, die im Ökolandbau vorgeschriebene Menge nicht zu überschreiten. Krankheitsbehandlung und Unkrautmanagement gestalten sich eben im konventionellen Landbau mit Hilfe chemischer Mittel sehr viel leichter.

 

Daher sei es im Bio-Kartoffel-Anbau auch besonders wichtig, gesundes und untersuchtes Saatgut einzusetzen. 80 Prozent des Saatguts werden zugekauft, nur ein paar Sorten, die weniger anfällig sind, werden aus eigenem Saatgut verwendet. Da die Region wenig Niederschläge abbekommt, muss ein bis zwei Mal beregnet werden. Zu viel Wasser verträgt die Kartoffel allerdings nicht, Staunässe ist zu vermeiden. Zur Düngung wird im Herbst des Vorjahres Stallmist auf den Acker ausgebracht. Zwischen 60 und 70 Kilo Stickstoff, 40 Kilo Phosphat und 160 bis 180 Kilo Kali braucht die Erde.

 

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Die Blauen und die Roten: absolute Nischenprodukte

Der Erntezeitpunkt ist optimal, wenn der Boden eine Temperatur von 15 Grad Celsius aufweist. Anfang Juni werden die Frühkartoffeln geerntet, von Ende September bis Mitte Oktober die Speisekartoffeln. Mit einem Schwingsieb-Roder werden sie ganz leicht herausgeschüttelt, am besten wenn der Boden noch feucht ist. „Wir lassen sie dann zwei Wochen auf dem Hänger in der gut durchlüfteten dunklen Halle schwitzen. Dabei fällt die Erde ab und wir können sie gut sortieren“, verrät Gerhard Kerschbaum seine Vorgehensweise.

 

Sortieren heißt: beschädigte, grüne und angefressene herausnehmen und die anderen einlagern. Bei fünf Grad in Dunkelheit halten sie bis in den Mai hinein. 

Immer noch lagern in der Halle des Betriebs Kerschbaum die Kartoffeln aus dem Vorjahr. Vor allem von den bunten sind noch einige übrig – zu viele. „Die blauen und roten Kartoffeln sind absolute Nischenprodukte“, hat Achim Krödel festgestellt. „Blauen Kartoffelbrei will einfach nicht jeder.“

 

Darauf werden sie in der nächsten Saison reagieren, denn im schlimmsten Fall landen überschüssige Kartoffeln vor der neuen Ernte in der Biogasanlage. „Derzeit gibt es grundsätzlich zu viele Bio-Kartoffeln“, schätzt Gerhard Kerschbaum die Lage ein. „Die Pioniere mit viel Erfahrung im Bio-Kartoffel-Anbau bauten stetig aus, Neulinge haben es auf diesem Sektor schwer.“ Sein Betrieb könnte noch viel mehr Kartoffeln erzeugen, wenn der Absatz vorhanden wäre. Stattdessen setze man mit den Sonderkulturen auf mehrere Standbeine.

 

Vermarktet wird vor allem direkt sowie über nahe Supermärkte, Bio-Läden und ein paar wenige Händler*innen. Im Hofladen allerdings gelingt es Soraya, Mariola, Sissi und den Bamberger Hörnchen besonders gut, sich schön arrangiert in Szene zu setzen. „Bei der Kundschaft zählt die Optik“, weiß Achim Krödel. „Eine ansprechende Schale und innen schön gelb – so eine Speisekartoffel wird gewünscht.“

 

Von Ronja Zöls-Biber

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