Einmal Wocheneinkauf ohne Plastik, bitte!

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Mittwoch, 10 Uhr in der Unteren Dorfstraße in Kirchroth, einer 3700 Einwohner zählenden niederbayerischen Gemeinde. Wenn man meint, am Endes des Dorfes angelangt zu sein und linkerhand nur noch Wiesen, Sträucher und Bäume zu sehen sind, reihen sich am rechten Straßenrand die parkenden Autos und einige Lieferwagen mit dem Aufdruck „Ökokiste Kößnach“ aneinander. Menschenleer ist es in diesem entlegenen Winkel des Landkreises Straubing-Bogen auf jeden Fall nicht. Auf einer ehemaligen Hofstelle laufen Mitarbeitende des Bio-Lieferservice mit Kisten zwischen den einzelnen Gebäuden hin und her, fahren Rollbehälter an die richtige Stelle und rufen sich Informationen zu. Die Bestellungen von rund 2700 Kund*innen werden hier wöchentlich bearbeitet, in Kisten gepackt und in Wagen verstaut, mit denen die Waren direkt an die Haustüren geliefert werden. Am liebsten plastikfrei – so sieht es ein großer Teil der Kundschaft und auch das Team der Ökokiste. 

 

„Nachhaltiges und verpackungsfreies Liefern war immer ein Grundprinzip der Ökokiste“, erklärt Karin Bauer, verantwortlich fürs Marketing. Plastikfreiheit sei in diesem Zusammenhang ein wichtiges Ziel des Unternehmens. Seit 2000 gibt es Martina Kögls Ökokiste Kößnach, die schwerpunktmäßig auf regionale Bio-Produkte setzt und Mitglied im Ökokiste e.V. ist. Bereits 1995 lieferte sie Bio-Kisten aus Holz an die umliegende Kundschaft aus. Aus Holz sind die Kisten, in denen die Waren zu den Haushalten transportiert werden, heute nicht mehr, sondern – aus Plastik. „Hier macht Plastik Sinn“, erklärt Karin Bauer, „wir benutzen die Kisten mindestens zehn Jahre, es gibt sogar vereinzelt 20 Jahre alte Kisten bei uns. Wenn sie verschmutzt sind, können sie leicht gereinigt werden.“ 

"Man muss manchmal viel ausprobieren, bis man gute plastikfreie Lösungen findet.“
johannes kaufmann

Obst und Gemüse: 95 Prozent plastikfrei

Wir dürfen zusehen, wie das Befüllen der Kisten, die heute das Haus verlassen, von Statten geht, und werfen erst einmal einen Blick in die Obst- und Gemüseabteilung. Ein Computer zeigt, welche Produkte in welche Kiste müssen. Die Packerinnen greifen zielsicher in die großen Behälter mit der Ware und legen zuerst die schweren Lebensmittel wie Kartoffeln in die Kisten, obenauf die empfindlicheren wie Tomaten oder Salat. Das meiste liegt lose vor und kann abgewogen und eingepackt werden. Doch nicht alles wird von den Liefernden plastikfrei gebracht. Beeren kommen in Plastikschalen, Eissalat ist meist eingepackt und auf dem Spinat, dessen Blätter zwar lose in Schachteln liegen, liegt eine Plastikfolie. Sie ist auf der Unterseite nass und hilft, das Gemüse feucht und frisch zu halten.

 

„Obst und Gemüse liefern wir zu 95 Prozent plastikfrei aus“, erklärt Johannes Kaufmann, zweiter Geschäftsführer der Ökokiste Kößnach. Spinat werde etwa in Beutel aus Kartoffelstärke gesteckt. „Zuerst haben wir Tüten aus Maisstärke verwendet, aber die haben unangenehm gerochen, sobald sie mit Nässe in Verbindung kamen. Man muss manchmal viel ausprobieren, bis man gute plastikfreie Lösungen findet.“ Die Kräuter stecken in Töpfen aus Recycling-Kunststoff und sind mit Recyclingpapier ummantelt. Mit den Lieferant*innen sei man immer wieder im Gespräch, wie man noch mehr Plastikfreiheit erreichen könne. Doch nicht alle Ideen seien auch umzusetzen. So werden etwa manche Kartoffeln lose angeliefert, manche in Netzen aus Plastik. Die Idee eines Direktvermarkters, diese durch wiederverwendbare Baumwollnetze zu ersetzen, sei beispielsweise preislich und organisatorisch kaum machbar. 

 

 

Gemüse und Obst werden mehrheitlich lose in die Ökokiste gesteckt.
Martina Kögl arbeitet stetig an der Plastikfreiheit in der Ökokiste Kößnach.

Mehrwegsystem auf Vertrauensbasis

Die nächste Station führt uns zum Käse. In einem blauen Container, der schon beim Öffnen der Tür durch den deftigen Geruch seinen Inhalt verrät, steht die „Käse-Frau“ Rotraut. Etliche Laibe und Rollen liegen vor ihr, und sie hantiert mit einem Käsemesser, schneidet, wiegt ab und umhüllt die Stücke mit Bee-Paper, ein plastikfreier Ersatz für Frischhaltefolie, aus Holz, Gras und Bienenwachs. Dieses wird auch in der Wurstkammer für so manches Produkt wie geschnittene Salami oder Schinken verwendet. „Bee-Paper kostet uns doppelt so viel wie herkömmliches Verpackungspapier“, sagt Xaver Wiethaler, Sohn von Inhaberin Martina Kögl, der im Unternehmen für IT und Tourenplanung verantwortlich ist. Doch das sei es dem Team und auch der Kundschaft einfach wert. 

 

In der Abteilung für Milchprodukte ist klar: Milch, Joghurts, Sahne und Co sind in Gläsern abgefüllt. Die Ökokiste nimmt jene Produkte ins Sortiment, die dieses Merkmal aufweisen. „Buttermilch gab es etwa lange Zeit nur in der Plastikverpackung“, erinnert sich Johannes Kaufmann, „sobald sie im Glas erhältlich war, schmissen wir die alte aus dem Sortiment und integrierten die Buttermilch im Glas.“ Was diese stringente Präferenz des Mehrwegsystems nach sich zieht, wird in der Leergutsortierstelle klar. Kiste um Kiste mit leeren Milch,- Wein- und Bierflaschen, außerdem etliche gläserne Joghurt-, Sahne- und andere Behälter. Hier arbeitet gerade niemand, denn am Abend kommt eine Angestellte, deren einzige Aufgabe es ist, dieses Mehrwegsystem zu organisieren. Dabei ist man darauf angewiesen, dass die Kundschaft die Pfandbehälter zurückgibt, denn in diesem Bereich beruht alles auf Vertrauensbasis.

„Nachhaltiges und verpackungsfreies Liefern war immer ein Grundprinzip der Ökokiste.“
Karin bauer

„Auch Bauern und Bäuerinnen denken um“

Die Leergutsortierung hat sich in letzter Zeit sogar noch ausgeweitet. Warum, sehen wir, als wir zur Station des Trockensortiments kommen. Hier war früher mal ein Hofladen – und so heimelig sieht es auch immer noch aus. Zwei Mitarbeiterinnen huschen zwischen den hölzernen wandhohen Regalen hin und her und räumen Müsli, Tee, Getreide und Co. in die braunen Kisten. Auch hier spielt Glas eine Rolle. „Unverpackt für alle“ bietet Nüsse, Zucker, Couscous und vieles mehr im Pfandglas, die Ökokiste bringt es an ihre Kundschaft. Auf dem Etikett vom Couscous lässt sich allerdings ablesen, dass die Plastikfreiheit bei so manchem Produkt wirklich ihren Preis hat. Der Kilopreis Couscous: 9,51 Euro, daneben im Plastikpäckchen 5,98 Euro.

 

Bei Walnusshälften gewinnt allerdings die unverpackte Variante: 100 Gramm kosten hier 2,94, im Plastik 3,49 Euro. Besonderes lässt sich auch in der Kosmetikabteilung finden: Zahnpasta und Deo im Glas, Tabs in Papier, aus denen man zu Hause selbst Reinigungsmittel herstellen kann. Auch Backpapier ohne Silikon, Nudeln im Papier und ohne Sichtfenster lassen sich hier finden. Und doch gibt es Nudeln mit Sichtfenstern aus Plastik. Hier schlägt Regionalität Verpackung, denn die Eiernudeln kommen aus einem nahen Bio-Hof. „Früher war gerade im Trockensortiment das Bewusstsein für Plastikfreiheit nicht sehr groß. Selbst Bio-Pioniere verpackten in Plastik – das ändert sich gerade“, weiß Xaver Wiethaler. „Auch Bauern und Bäuerinnen denken um.“

 

Wo jedoch alle an eine Grenze stoßen: Fleisch. Hier kann es derzeit nichts anderes als Plastik geben. Dennoch schätzen Xaver Wiethaler, Johannes Kaufmann und Karin Bauer den Anteil der plastikfrei ausgelieferten Ware der Ökokiste Kößnach auf 60 bis 70 Prozent. Sie sind sich einig. „Das Konzept ist ausbaufähig – und wir bleiben dran!“

 

Von Ronja Zöls-Biber

 

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