Schlachten kann nicht jeder

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Familie Juffinger aus Thiersee in Tirol freut sich. Vor sechs Wochen bestand ihr Team noch aus 40 Leuten, jetzt sind sie stolz auf eine 50-köpfige Mannschaft. Dieser enorme Personalzuwachs ist keine Selbstverständlichkeit in der Metzger-Branche.

 

„Wir haben uns in den vergangenen Jahren einen guten Ruf als Arbeitgeber aufgebaut“, erklärt Prokuristin Helga Juffinger und fügt hinzu: „Trotzdem – wir könnten aufgrund der guten Auftragslage noch gut fünf Leute mehr gebrauchen.“

Personalentwicklung ist für eine Metzgerei keine Leichtigkeit. Denn Schlachtung und Zerlegung will nicht jeder – und kann vor allem auch nicht jeder. Noch vor 30 Jahren haben die Metzger-Lehrlinge beides in ihrer Ausbildung gelernt, weiß Helga Juffinger. Da heute in den meisten Betrieben aber nicht mehr geschlachtet wird, werden die Lehrlinge oft nur in Zerlegen oder Wursten ausgebildet – Kenntnisse über beides seien schon eine Ausnahme. 

Nach dem Schlachttag herrscht Erleichterung

In der Bio-Metzgerei Juffinger lernen die Auszubildenden alles – vom Schlachten bis zum Etikettieren. Dies sei ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Vier Lehrlinge sind derzeit im Betrieb. Die meisten kommen aus bäuerlichen Strukturen und sehen in der Ausbildung eine Chance, in der Direktvermarktung Fuß zu fassen. Einzelfälle kommen aus einem ganz anderen Umfeld und sind einfach an diesem Handwerk interessiert. Junge Leute, die sich offenkundig nur bewerben, weil sie nichts anderes finden, werden bei den Juffingers schon seit Jahren abgelehnt, denn man brauche Lehrlinge, die für den Job in der Fleischverarbeitung brennen.

 

Nach der Lehre schauen sich viele andere Betriebe an. Dies ist auch ein dringender Ratschlag der Chefleute Juffinger. Manche gehen für die Metzgerei verloren, fangen irgendwo im Fernverkehr oder in anderen Branchen an.

Andere kommen zurück und nutzen die Aufstiegschancen im Hause Juffinger.

Brückenschlag zwischen Respekt vor dem Tier und wirtschaftlichem Handeln

„Ich kenne wenig Menschen, denen das Schlachten gefällt“, gesteht Helga Juffinger, die mit ihrem Mann Anton – heute ausgebildeter Bio-Landwirt, Metzgermeister und diplomierter Fleisch-Sommelier – schon zusammen war, als der noch in der Lehre war. Wenn am Donnerstag Schlachttag ist, herrsche eine „eigene Stimmung“.

Um sechs Uhr morgens beginnt im Schlachthof der Betrieb. Ihr 75-jähriger Schwiegervater, einer der ersten Bio-Bauern in Tirol und Gründungsmitglied von Bio Austria, steht stets draußen und begrüßt die Bauern und Bäuerinnen.

Er kontrolliert die Papiere und begleitet Landwirt*in und Tier vom Vieheintrieb bis zur Schlachtung.

 

Er schaffe den Brückenschlag zwischen Respekt vor dem Tier und wirtschaftlichem Handeln. Und er sorge für Ruhe. Optimal: Routine ohne Zwischenfälle und ein eingespieltes Team. Stets sind eine unabhängige Person für die Klassifizierung, also die wirtschaftliche Bewertung der Tiere, und ein*e Tiermediziner*in anwesend. Meist gehe der Schlachttag ruhig über die Bühne, nach sechs bis acht Stunden bringe der Nachmittag aber für alle Mitwirkenden Erleichterung. Der Gedanke, dass das Tier ein schönes Leben hatte, tröste.  

 

 

Die Grundsätze einer guten Bio-Schlachtung sollen im Hause Juffinger alle verinnerlichen. Bilder: Juffinger

„Wir wären nichts ohne unsere ausländischen Arbeitskräfte“

Aus dem Alpenraum, etwa einem Umkreis von 150 Kilometern werden Lämmer, Kälber, Rinder und Schweine – meist in Sammeltransporten – nach Thiersee gebracht und nach Tierarten geschlachtet. Wöchentlich sind das etwa 20 bis 30 Lämmer, 30 bis 50 Rinder und 70 bis 100 Schweine. Die Mitarbeiter*innen kommen dagegen oft von weiter her.

In jeder Abteilung arbeiten vorwiegend Fachkräfte. Schlachten, zerlegen und feinzerlegen, etwa zu Gulasch oder Schnitzel, müsse man können. Selbst die Abteilung für Verpackung leitet ein Elektriker, weil man sich hier gut mit elektronischen Maschinen auskennen muss. Und die Kommissionierung führt eine ausgebildete Köchin, denn dort sind genaue Kenntnisse der Fleischteile gefragt.

 

Vor allem in der Wursterei, Verpackung und Etikettierung werden Hilfskräfte engagiert, immer wieder auch über einen Personaldienstleister. Wegen der Nähe zur vier Kilometer entfernten Grenze kommen oft Deutsche in den Betrieb, aber auch Tschechen, Rumänen, Ungarn.

„Wir wären nichts ohne unsere ausländischen Arbeitskräfte. Unser Ziel ist, die Leute zu übernehmen“, sagt sie.

„Es ist mir egal, welche Nationalität und Religion ein freundlicher und ehrlicher Mensch hat.“ Sie hebt einen rumänischen Fahrer hervor, der als nicht sehr glücklicher Mensch vor vielen Jahren ohne Deutsch-Kenntnisse frustriert ins Unternehmen kam und heute ein wichtiger verlässlicher Mitarbeiter sei, gut deutsch spreche und mit seiner Frau und seinen Kindern ein glückliches Leben im angrenzenden Kiefersfelden führe. 

Rezepturen sind Chefsache

Schulungen sind im Unternehmen Pflicht. Immer wieder bilden sich die Mitarbeiter*innen in Schlachtung, Warenannahme, Zerlege-Ausgang oder EDV fort. Für neues Personal gibt es Einschulungen – auch was die Philosophie des Unternehmens betrifft. Dabei geht es unter anderem um die Frage: Was macht einen guten Bio-Metzger aus?

„Er ist sich darüber bewusst, dass das Produkt, welches er herstellt, ein Lebewesen war, und es ist ihm wichtig, was in der Wurst drin ist“, fasst Helga Juffinger grob zusammen. Diese Grundsätze sollen alle verinnerlichen. Eins allerdings darf im Betrieb nur einer wissen: die ohne Zusatzstoffe entwickelten Rezepturen von Anton Juffinger.

„Es hat Jahre gedauert, unsere geschmacklich und optisch beste Wurst zu entwickeln“, so Helga Juffinger. „Die Rezepturen sind Geheimsache und Chefsache!“

 

Von Ronja Zöls-Biber

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