Leben und Sterben auf dem Hof

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Wenn Markus Fesl des nachts in die Ställe schleicht, hat für so manches seiner Tiere das letzte Stündchen geschlagen. Denn während die Artgenossen auf ihren Stangen sitzend schlafen, holt der 24-jährige Landwirt nacheinander etwa 120 bis 150 Hähnchen ruhig aus ihrer Herde und trägt sie ins hofeigene Schlachthaus hinüber. Es ist die Nacht von Samstag auf Sonntag. Markus und sein Bruder Benedikt (23) haben ihre weißen Metzgerschürzen angezogen. Behutsam, aber entschlossen hält Markus eins seiner Hähnchen in den Händen, umschließt bergend die Flügel und Füße, bis das Holzscheit auf den Kopf schlägt. Nach der Betäubung hackt Markus mit einem kleinen Beil den Kopf des Huhns ab. Anschließend legt er das tote Tier in einen Edelstahl-Trichter zum Ausbluten. Das Blut läuft in eine Rinne, später wird es gemeinsam mit den Federn, den Innereien, Knochen und dem Darm einem Tierbeseitigungsunternehmen mitgegeben. Nach dem Ausbluten kommt der Schlachtkörper in die Rupfmaschine. An Gumminoppen, die sich schnell und eng um das tote Huhn drehen, bleiben die Federn hängen. Wenn der Tierkörper abgekühlt ist, wird er im Raum nebenan zerlegt. Etwa zehn Hähnchen und fünf Truthähne werden heute Nacht auf dem Hof, auf welchem sie ihr ganzes Leben verbracht haben, geschlachtet. Dann ist der Spuk vorbei. Das kleine Schlachthaus wird von den hinterlassenen Spuren befreit und gereinigt. Am kommenden Tag folgt noch einmal eine Reinigung mit 80 Grad heißem Wasser und Desinfektionsmitteln. Am nächsten Schlachttag in zwei Wochen erfolgt die Wasch- und Desinfektionsprozedur ein weiteres Mal. Das Fleisch ist fertig für die Metzgerei Kammermeier, deren Fahrer die Ware am nächsten Morgen mit dem Kühlwagen abholt.

Regional, frisch und stressfrei für die Tiere

Markus Fesl ist zwar als Sohn eines Metzgers und Landwirts irgendwie in die ganze Sache hineingewachsen und die Anweisung „Hinlangen, Buben!“ war auch beim Schlachten üblich, trotzdem wurde er in das, was er heute tut, auch hineingeworfen wie in ein kaltes Wasser. Denn als vor fünf Jahren der Vater plötzlich starb, traten er, sein Bruder Benedikt und seine Schwester Viktoria (25) in die Fußstapfen des Bio-Bauern. Tagsüber arbeitet Markus als Schreiner, Benedikt als Schlosser und Viktoria als Damenschneiderin. Nach der Arbeit helfen sie gemeinsam mit Mutter Martina auf dem Biokreis-Hof in Untergriesbach (Landkreis Passau) zusammen. In dieser kurzen Zeit haben die vier nicht nur geschafft, den Betrieb mit Direktvermarktung aufrechtzuerhalten, sondern ihn auch noch auf breitere Beine gestellt. Auf einer bewirtschafteten Fläche von sieben Hektar werden 900 Legehennen, 800 Masthähnchen, 200 Puten, 200 Enten und 150 Gänse gehalten. Zwei Esel, vier Hunde und einige Katzen laufen zwischen diesen herum, hinterher läuft oft noch Mutter Martina (57). „Ohne Tiere kann ich einfach nicht“, sagt sie lachend und streichelt ihre Esel Frau Burgl und Frau Paula. 

 

„Brave und ehrliche Menschen“ sah Bio-Metzgermeister Hubert Kammermeier aus dem nahen Hauzenberg in den Fesls und stimmte deren Angebot, die Eier für seinen kleinen Supermarkt zu liefern, sofort zu. Regionalität liegt Hubert Kammermeier am Herzen, daher entwickelte er gemeinsam mit Markus Fesl die Idee, dessen Bestand aufzustocken und für ihn zu schlachten. Das EU-zertifizierte Schlachthaus bauten Markus und Benedikt in Eigenregie zwei Jahre lang selbst – mit Vorraum, Schlachtraum, Zerlegeraum und Kühlung. „Wenn ich am Montag früh die Ware hole, ist das Fleisch 24 Stunden alt. Wo gibt es das noch?“, sagt Biokreis-Metzger Hubert Kammermeier. „Bio bekommt man überall, aber Regionalität garantiert hier auch Frische.“ Besser als auf dem Fesl-Hof könne die Schlachtung für die Tiere nicht ablaufen. „Markus schlachtet nur seine eigenen Tiere. In seinem kleinen Schlachthaus hat er gar keine Möglichkeiten und Vorrichtungen für Masse“, so Hubert Kammermeier. Die Tiere werden nicht lebend transportiert und seien keinerlei Stress ausgesetzt. Das schlage sich auch auf die Fleischqualität nieder. Der Metzgermeister berät den jungen Landwirt auch bei Fragen bezüglich der Schlachtung und nimmt ihm am Ende alle Teile des Hähnchens ab. „Ich bewundere Markus´ Enthusiasmus“, sagt er. 

 

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Ewiger Kreislauf

Auch Mutter Martina, gelernte Altenpflegerin, ist froh über den unermüdlichen Einsatz ihrer Kinder für die Landwirtschaft. „Markus hat sich schon als Kind zum Geburtstag, zu Weihnachten und sogar zur Kommunion immer ein Tier gewünscht – zum Beispiel eine Pute oder Ente.“ Diese Tierliebe sei geblieben und das Schlachten sei ihm anfangs auch nicht leicht gefallen, weiß Martina. Markus selbst, der gerade in der Abendschule auch noch die Ausbildung zum Landwirt absolviert, ordnet sein Handeln in das Konzept des ewigen Kreislaufs ein. „Ich füttere die Tiere vom ersten Tag an, und wenn die Zeit kommt, kann ich sie sinnvoll verwenden. Sie sind Nutztiere.“ Legehennen bleiben etwa 20 bis 22 Monate am Hof und werden dann großteils zu Suppenhühnern. Seine Masthähnchen werden mit zwölf bis 14 Wochen geschlachtet, die Puten mit 20 bis 25 Wochen. Wichtig sei es ihm, die Tiere selbst zu schlachten. „Ich will nicht, dass sie in Kisten herumgefahren werden und nach Benzin stinken. Und ich will, dass sie beim Schlachten nicht verletzt werden und dabei ein eigenes Tempo möglich ist.“ 

 

Alle 14 Tage fährt Martina in die Oberpfalz, um neue Eintagsküken aus der Brüterei zu holen. Doch auch diese Station will Markus Fesl in Zukunft auf dem eigenen Hof installieren. Den Raum für eine Brüterei hat er schon gebaut, nun arbeitet er noch an den Plänen für ein praxistaugliches System. Puten und Hähnchen sollen dann künftig hier auf dem Fesl-Hof schlüpfen.

 

Fotos: Tobias Köhler

 

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